„Kaffee mit Johnny Cash“ verlegt bei keiper, Graz 2022, ist „eine faszinierende Zeitreise durch fünf Jahrzehnte voller Musik und aufregender Medienwelt“, so der Untertitel der über 300 Seiten starken Autobiografie von Vojo Radkovic, stadtbekannt in der Grazer Musikszene als VOJO.
Wenn ein Musikveranstalter seine Memoiren schreibt, liefert das garantiert spannendes Material für viele Rock und Jazzfans. Wenn die Geschichte des Lesers, also meine, auch noch eng in seine Geschichte eingeflochten ist, macht mich das zu einem Teil dieser Chronik, wenn auch mit langen Unterbrechungen, als ich im Ausland lebte. Vojo ist zehn Jahre älter als ich, er war also bereits ein junger Reporter bei der Neuen Zeit, als ich, fünfzehn Jahre jung, begann meine ersten Schallplatten zu sammeln und am Musik Gewinnspiel der NZ teilzunehmen. Vojo hatte in London alle Bands der „roaring sixties“ live erlebt, war deshalb zusammen mit dem Jugendmagazin Bravo meine beste Quelle. Ich sandte fleißig Teilnahmekarten in die Musikredaktion, weil es tolle Platten zu gewinnen gab. Eines Tages stellte der Briefträger tatsächlich eine flache quadratische Kartonhülle zu, die aber leider nur eine zerbrochene LP enthielt. Ich kann mich heute noch an den Titel erinnern, Jonathan Livingston Seagull, mit Filmmusik von Neil Diamond. So kam es, dass ich Vojo persönlich kennenlernte, als ich den Bruch der Schallplatte reklamierte.
Wir schrieben das Jahr 1974, als die ersten internationalen Künstler in der Liebenauer Eishalle auftraten. Ich war gerade sechzehn und mein erstes großes Konzert mit „richtigen“ Rockstars und tonnenweise Technik, war Emerson, Lake & Palmer, die ihre Musik aus riesigen Lautsprechertürmen in Quadrophonie über die Zuhörer fluteten. Dieses Konzert war auch Vojos erster Auftritt als Veranstalter in Graz mit Unterstützung der NZ. Er war dabei recht großzügig in der Vergabe von Freikarten an seine jungen Freunde wie mich. So ging das wohl zehn Jahre lang, Mitte der Siebziger bis in die Achtziger holte er alles nach Graz, was in der Musikwelt Rang und Namen hatte. Ich hatte mittlerweile mein Studium beendet und war dank Vojo und einer seinerzeit sehr verdienstvollen Radiostation namens Ö3 und dem Rennbahn Express zu einem Kenner von zeitgenössischem Rock, Jazz und Underground geworden. „Welcome back my friends to the show that never ends“, diese Eröffnung des EL&P Konzerts hat sich in mein Hirn gebrannt, wie auch die Begegnung mit den Rockstars im Push ’n‘ Pull, dem späteren Ska.
Dann ging ich für ein paar Jahre nach Wien, wohnte in einer WG mit einem Musikjournalisten und schrieb Konzertberichte über Nick Cave und Genesis, die keiner drucken wollte. In Wien verlor ich Vojo aus den Augen, in 25 Jahren Sydney die österreichische Musikszene und wurde erst nach meiner Rückkehr aus Australien gewahr, dass Vojo Concerts in der Zwischenzeit hunderte, wenn nicht tausende Konzerte veranstaltet hatte, aber durch wirtschaftlich schwere Zeiten bald gezwungen wurde, die Veranstaltertätigkeit einzustellen. Zurück in Graz hatte ich den Kontakt zu Vojo wieder aufgenommen und über seine Konzerte berichtet. Aber Graz war von der Weltkarte des Rockzirkus verschwunden, die immer aufwendiger gewordenen Shows rechneten sich gerade noch in München oder Wien. Als letztes Open Air habe ich am Schlossberg auf der Kasemattenbühne The National gesehen, seither eine meiner Lieblingsbands. Das ist nun auch schon wieder gut zehn Jahre her.
Aber zurück zum Buch. Auch Johannes Silberschneider schweifte im Gespräch mit dem Autor bei der Buchpräsentation im Orpheum immer wieder ab und musste sanft erinnert werden, dass es nicht um sein Leben, sondern um Vojos Buch ging. Dabei war es schön zu beobachten, wie leidenschaftlich Silberschneider wurde. Er hatte, ähnlich wie ich, viele Berührungspunkte im Lebensweg mit Vojo. Persönliche Verbindungen, die über ein Leben hinweg bestehen bleiben. Zwei Drittel von EL&P sind tot, der noch lebende Schlagzeuger Carl Palmer dürfte sich nicht mehr erinnern, in Graz gespielt zu haben. Nun ja, es ist eben die Geschichte von Vojo Radkovic, er hat sie in verständlicher Sprache zu Papier gebracht und sie ist voll von diesen intimen Momenten, wie dem titelgebenden „Kaffee mit Johnny Cash“. Auch Boris Bukowski entbietet in seinem Buch Gags und Stories ähnliche Anekdoten, bloß war bei ihm Konstantin Wecker, der regelmäßig in Graz gastierte, schon der große Star, aber Gespräche mit Miles Davis, ein Essen mit Deep Purple oder die letzte Tournee von Frank Zappa vor seinem Tod war auf internationaler Skala nicht zu überbieten.
Heute arbeitet er trotz erreichen des Pensionsalters noch als Motor- und Musikjournalist für den GRAZER und tut mit der Charity „Let’s spend the night together“ alle Jahre Gutes. Wir begegnen uns respektvoll und freundschaftlich, nehmen und geben einander. Die Bekanntschaft mit diesem „großen“ Mann mit den (immer noch) langen Haaren hat meine Liebe zur Musik wie kein anderer geweckt, gefördert und geprägt. Die zahlreich im Orpheum anwesenden Zeitgenossen aus der Medien- und Musikbranche stimmten offenbar mit mir überein, denn die Schlange zum signieren des Buches reichte bis ins Foyer, was seine Verlegerin Anita Keiper sehr freute. Genug gesagt, schlagen wir das Buch endlich auf, erinnern uns an fünfzig Jahre Musikgeschichte und legen die dazugehörigen LPs aus Vojos Plattenbox auf den Plattenteller.
Gerald Ganglbauer