Ich war noch nie dort, oder es ist so lange her, dass ich es vergessen habe. Meine alten Freunde Waltraud und Martin Huber sind dort Stammgäste, wie auch einige meiner Musiker-Freunde aus der Indieszene. Der Auftritt von Luka Sulzers junger Grazer Band Saint Chameleon gab den Anstoss, doch einmal den Verein neben der Caritas zu besuchen. Es wurde ein großartiger Abend.
„Die Brücke“ in Graz ist ein feiner Venue für intime Kleinkunst – vom Poetry-Slam bis zur World Music
Saint Chameleon, eine junge Grazer Band, sind momentan noch so etwas wie ein “Geheimtipp”: Zuerst weich, dann wieder harsch und grob, fügen sich die Instrumente und Stimmen zu Geschichten über ihre Umgebung zusammen. Die Texte reichen von philosophischen Fragen die das Leben stellt, bis zu Roadtrips und Seemännern. Und so macht es auch die Musik selbst. Sie swingt, stampft, fließt und zerstört die Stereotypen die man von Rockmusik hat.
Man kann den Geist von Künstlern wie Tom Waits, C. W. Stoneking und Django Reinhardt spüren, aber auch andere Genres dieser Welt der Musik sind im Schaffen von Saint Chameleon zu finden.
Saint Chameleon setzt sich aus sieben Mitgliedern, aus fünf Ländern zusammen: David Dresler, Kajetan Kamenjasevic, Lukas Custos, Luka Sulzer, Emiliano Sampaio, Francesco Doninelli und Thilo Seevers. Die Ursprünge liegen bei einem Treffen von Lukas und Luka in den Straßen von Graz im Jahr 2010 als ersterer als Straßenkünstler performt. Das große beiderseitige Interesse in jede Art von Musik macht die Entscheidung in einem musikalischen Projekt zu kollaborieren einfach.
„Jetzt da die Basis vorhanden ist kommt der Rest auch ziemlich schnell. Da Graz eine Stadt voll von Musik jeder Art ist, ist es auch nicht schwer die restlichen Teile zu finden. Emiliano, ein Jazz Komponist, bekannt für sein „Mereneu Project“, schließt sich der Formation als Posaunist an. Kajetan und Francesco fügen später Bass und Violine hinzu und nach einigem ausprobieren kommen im Herbst 2014 der Pianist Thilo Seevers und der Schlagzeuger David Dresler hinzu.“ (Luka Sulzer)
Am 14. Jänner 2015 feierte der Gangan Verlag 30 Jahre seines Bestehens im Literaturhaus Graz. Gerhard Melzer begrüßte, Gerhard Fuchs führte ein, Gerald Ganglbauer las aus seinem Buch “Ich bin eine Reise” , The Base spielte feine Musik und der Buchautor sang mit. Anschließend wurde den preisgekrönten Weinen vom Vinothek Verlag zugesprochen und das gelungene Fest klang im Thomawirt erst weit nach Mitternacht aus.
Gerhard Fuchs Beginnen, Bewegen, Verändern. Gerald Ganglbauers Reise.
Eine kurze Einleitung. Der Versuch, Ihnen Horst Gerald Ganglbauer vorzustellen. Kennt man den? Noch, wieder? Vielleicht eher die Älteren, die sich erinnern. Die Älteren, so wie ich. Denn weg war er lang, aus Graz seit 1986, aus Österreich seit 1989. Und seit 2013 ist er wieder da, in seinem Haus da draußen, nördlich von Andritz, jenem Bezirk, von dem aus er aufgebrochen ist, in vielerlei Hinsicht.
Also wie beginnen? Ich beginne damit, den Autor, Buchmacher und Reisenden vorzustellen, indem er sich selbst vorstellt. Programmatisch nämlich, mit einem seiner Gedichte. Auch wenn der Verleger und Zeitschriftenherausgeber damals bald und heute erst recht nichts von seinen eigenen literarischen Texten wissen will – dennoch:
“beginnen”
aufhören das vierblättrige kleeblatt in der wiese zu suchen da das glück neben einem liegt.
aufhören einem “ichweißnichtwas” nachzulaufen da eine offene hand nur zu ergreifen ist
aufhören das verdammte wort “aufhören” überhaupt zu denken denn überall steht “beginn”
Das Gedicht “beginnen” stammt aus der Nummer 8 der in Bad Ischl als Schülerzeitschrift gegründeten und in Graz neu ausgerichteten “Perspektive”, einer Zeitschrift, die in der Steiermark als Periodikums-Dauerbrenner neben den “manuskripten”, den “Lichtungen” und dem “sterz” über Jahrzehnte Wegmarkierungen setzte. Diese Nummer 8 wurde im Sommer 1982 zusammengestellt und Gerald Ganglbauer blieb für drei Nummern federführend. Damals war der 24-Jährige TU-Student der Verfahrenstechnik mit einer Menge Tagesfreizeit, wie man so sagt, drauf und dran, jene Frau zu heiraten, die er bei einer/seiner Lesung im Forum Stadtpark kennen gelernt hatte: Petra Ganglbauer nämlich. Ein Beginn also, ebenso wie der von ihm mitgetragene Neustart der “Perspektive”. Das Neue lässt sich meist nur beginnen, wenn das Alte zu Ende ist. Nach drei Nummern Perspektive daher ein Mitarbeitsende und ab 1984 die neue Karriere als Verleger mit dem “gangan”-Verlag: das althochdeutsche gangan heißt bewegen, entwickeln, verändern, ein Verlagsmotto, ein Lebensmotto. Ein Neugieriger, der sich ständig neu orientiert, wach bleibt, mit dem Preis allerdings, dass vieles zu Ende geht, damit es dem Neuen Platz machen kann. Ab 1984 sechs Jahrbücher mit zuerst essayistisch-kulturkritischen, dann auch i.e.S. literarischen Beiträgen mit unterschiedlichen Herausgebern, 1989 das letzte mit den Editoren Franz Josef Czernin und Ferdinand Schmatz, wobei diese beiden Namen gleich als Fingerzeig für Ganglbauers literarische Geschmacksbildung gelten können: sprachbewusste, teilweise experimentelle Literatur, schwere Kost sozusagen, weitgehend unverkäuflich, kein Massenprodukt.
Bis 1994 gibt es 22 “gangan”-Publikationen in Print-Form, Autoren sind im Lauf der Jahre neben der seit 1986 zur Ex-Ehefrau mutierten, aber bis heute freundschaftlich verbundenen Petra, ein Peter, Pessl nämlich, der sich auch als Lektor für die diese Bewegung einsetzt, Mike Markart, Reinhold Aumaier, Magdalena Sadlon, Marc Adrian und noch ein – höchst talentierter und formbewusster – Peter, der sich leider wie viele aus jener Grazer Literatengeneration per Alkohol selbst zerstört hat: Peter “Pjotr” Köck, der noch kurz vor seinem Tod 1989 eine Werkausgabe bei “gangan” plante, von der dann bislang nur zwei Bände erschienen sind. Der Verleger jedenfalls ist nicht selbstmordgefährdet, auch nicht ökonomisch, er riskiert zwar auch sein eigenes Geld im Lauf dieser “gangan”-Jahre, bleibt aber der Realität so weit verbunden, dass er nicht in die pekuniäre Katastrophe abdriftet, er macht, er tut, er initiiert, er unterstützt, so lang eben, wie es irgendwie geht. Geld verdient er ab 1989 woanders, in Australien nämlich, wohin es ihn als Folge weiblicher Umgarnung mehr oder minder zufällig verschlägt. Dort ist er in kürzester Zeit Auslandsösterreicher und Eingebürgerter, organisiert Abenteuer-Trips für erlebnisgeile Touristen, verdient nicht schlecht als Graphiker und dann Webdesigner, stets einer der Ersten und im ökonomischen Konkurrenzkampf eine Nasenlänge voraus. Kein Geld bringt ihm “gangway” ein, ein Internet-Literaturmagazin, das bereits seit 1996 online ist, nunmehr in der 46. Ausgabe, ein Textacker mit österreichischen und australischen Literaturpflanzen, meist bunt gemischt, manchmal auch thematisch gebündelt, etwa zu Kulturhauptstadt Graz 2003.
Ein Hort der Kontinuität, Ganglbauer ist keiner, der in kürzester Zeit die Lust verliert und ununterbrochen zu neuen Ufern aufbrechen muss – eine merkwürdige Mixtur von Erprobtem und Verworfenem, das einen Neubeginn erfordert. Das Alsob und das Spiel, die Negierung der zwanghaften Realitätsfiktion sind der Antriebsmotor für die Reisen des Gerald Ganglbauer, die nicht nur Ortlosigkeit, Ortsveränderungen und Ortswechsel in einem räumlichen Sinn sind, sondern auch Neuentwürfe von Identitäten, eine Veränderungsbereitschaft, die die radikale Selbstnegation zumindest nicht ausschließt. Das Glück, das im Eingangsgedicht neben einem liegt, ist dabei immer ein konkretes, mit Personen, Situationen, Orten verbunden, keine abstrakt-philosophische Größe, der es an erfahrungsgesättigter Verwurzelung mangelt. Der Freude am Realen, an Frauen, am Meer, der Sonne, der Nacktheit, dem Sprechen und Zuwenden ist aber auch ihr Widerpart eingeschrieben: der Verlust, das Altern, die Krankheit, das Verstummen. 2006 wird Ganglbauer mit der Diagnose “Parkinson” konfrontiert, zwei Jahre später geht er als Fünfzigjähriger in Frühpension. Der Umgang mit der Krankheit ist letztendlich wiederum ein offensiver: Aktivitäten in der Parkinson Selbsthilfe Österreich und in New South Wales, Mitaufbau der österreichischen Parkinsonberatung, v.a. auch in der Online-Version.
Allerdings auch keine Mythisierungen und Selbststilisierungen: In Interviews und Texten thematisiert er die Zeiten der Depression, der Mutlosigkeit und Aussichtslosigkeit. Dennoch schon wieder ein Neubeginn: 2014 die Veröffentlichung des Lebensberichts “Ich bin eine Reise”, nach 20 Jahren wieder ein Print-Buch im Gangan-Verlag. Der Autor schneidet drei Textebenen mit unterschiedlichen Entstehungszeiten, welche die jeweiligen Bewusstseinshorizonte dokumentieren, ineinander: der träumerisch-romantische Maturant, der erfahrungssüchtige Mitdreißiger und der doch einigermaßen erfahrungsgesättigte Fünfzigjährige mit seinem Zentralthema “Parkinson” und einer ganz besonderen Liebesbeziehung in den letzten Jahren. Über den individuellen autobiographischen Horizont hinaus scheint mir Ganglbauers Lebengeschichte nicht untypisch für ein Generation von literaturinteressierten bis literaturbesessenen österreichischen Jugendlichen in der Post-68er-Ära, die die internationale Flower-Power-Bewegung, die sexuelle Revolution und den politischen Oppositionsgeist zu einer ganz individualistisch-anarchischen Existenzweise amalgamiert haben, die das Reise- und Aufbruchsmotiv zentral stellt, nie einer melancholischen Handlungs- und Tatenlosigkeit das Wort redet. Geredet wird schon, aber auf ein Gegenüber bezogen, mit Wünschen und einem Sich-selbst-Aussetzen verbunden, geschrieben, veröffentlicht und verlegt wird auch, aber nicht im Sinn des Zurschaustellens des fertigen Produkts, sondern innerhalb eines Prozesses, stets auf der Reise, innen wie außen. Festlegungen sind zu vermeiden: ein wenig Andritz überallhin, nunmehr ein bisschen Sydney nach Stattegg. Die Chimäre des vierblättrigen Kleeblatts mag die ständige Suche antreiben, dieser Reisende findet aber auch, hier, gleich neben sich, die offene Hand, die es zu ergreifen gilt, auch wenn sie wieder los lässt, die eigene oder die andere. Die versteinerten Verhältnisse zum Tanzen zu bringen, Kunst und Leben ineinander überzuführen, sich am Pathos des Futurs aufzurichten waren Eckpfeiler einer nicht zuletzt romantischen Existenzform, die in einer durchökonomisierten Welt kaum noch zu realisieren ist.
In einem Interview mit Barbara Belic erinnert sich Ganglbauer an Weltreisen mit dem Flugzeug vor 9/11, als stand-by Spontanflüge und Gelage in der Maschine bei Überseeflügen noch möglich waren. Das hat aufgehört, wie so vieles andere nicht mehr möglich ist, öffentlich wie privat, und die Ortlosigkeit des Webnomaden den seinerzeitigen realen Neubeginn als virtuelles Glücksversprechen inszeniert, das in der Täuschung ohne Enttäuschung auskommt. Die Reisen des Gerald Ganglbauer sind demgegenüber schmerzende Sisyphos-Unternehmungen mit Beulen und blauen Flecken, die das “verdammte wort aufhören” im Denken negieren, um es im und am Körper umso mehr als Begrenzung zu verspüren. Solche Akte der ehrlichen Selbstentblößung sind der Literatur eigen, aber auch der dokumentarischen Schilderung, wenn sie am Ich ansetzt. Zurechtgeschneidert und der pragmatischen Rezeptionssteuerung angepasst sind beide Artikulationsformen; als Erinnerung beginnen sie etwas, was eigentlich schon vorbei ist und übernehmen so Gewähr für das Andauern des Vergangenen. Nach all den äußerlichen Reisen ist jemand noch lange nicht angekommen; wenn er sich im Inneren seines Wegseins versichert, ist er angekommen, indem er fortgeht.
Christof Spörk, “Salzburger Stier 2014”, empfiehlt in seinem neuen Programm “Ebenholz” (seine Klarinette) das Hamster-Rad zu verlassen und stattdessen zu L-E-B-E-N: lieben, essen, budern, entspannen, nix tun. Gar kein schlechter Rat, den ein begeistertes Publikum im Lässerhof erhielt, das zwar nicht derb, aber dennoch zart verarscht wurde. Politik und Gesellschaft zu spiegeln ist schließlich die Aufgabe guten Kabaretts. Jetzt keimt im “schwarzen Stattegg“ grünes Saatgut.
Sprachgewandter stand-up comedian entpuppt sich als steirisches Urgestein
Er hat sich einige Werkzeuge der tief verwurzelten Volkskultur ausgeborgt, um in der Gegenwart an versteinerten Denkmustern zu rütteln. So beginnt er die Schau mit einem Jodler, in dem er sich selbst elektronisch looped und immer wieder seine Stimme in einer neuen Tonspur darüber legt. Diese Klammer schließt er am Ende mit seiner Klarinette, die seinem Programm auch den Titel geliehen hat: Ebenholz. Das besagte Instrument ruht in einem alten Attaché-Koffer, seinem Büro, und darum herum schlingt er lose seine Geschichten, Lieder und Sketches. Der Steirer überzeugt ab dem ersten Satz mit Intelligenz, Witz und Kenntnissen. Und das perfekt in allen Dialekten Österreichs. Er wäre wahrlich ein guter Politiker. Kein transparenter, denn zu viel Transparenz sei gar nicht gut, meint er. Ein altes Antonym, blickdicht sei daher längst ausgestorben. Aber in vielen Fällen gäbe es Bedarf für eine blickdichte executive decision.
Christof Spörk kam 1972 in Voitsberg zur Welt, musizierte in der 80er Jahren in der Familienmusik Spörk, maturierte in Köflach, studierte Politikwissenschaften in Wien und hat sich nun im Südburgenland niedergelasssen, weil in der Bundeshauptstadt der Quadratmeterpreis unerschwinglich war. Seine vier Kinder gehen im steirischen Fürstenfeld zur Schule (das Harvard Burgenlands, wie er es nannte) und zwischen Fürstenfeld und Feldbach siedelte er auch eine Parodie der Freiwilligen Feuerwehr in tiefstem Oststeirischen Dialekt an: ich habe selten so gelacht. Es war vor ländlichem Publikum im schwarzen Stattegg ein Wagnis, die heilige Kuh über den Tisch zu ziehen, er erntete jedoch tosenden Applaus. Rot/Schwarz/Blau kam überhaupt nicht gut weg. Es wäre an der Zeit für die Grünen. Die Gemeinderatswahl am 22. März 2015 wird zeigen, ob die grüne Saat in Stattegg aufgeht.
Spörk dissertiert mit Musik & Politik in Kuba 1959 bis 1999 (was sein ausgezeichnetes Spanisch erklärt), heiratet und arbeitet als außen- und innenpolitischer Redakteur bei profil. 2003 bekommt er den ersten “Salzburger Stier” für das Landstreich-Programm “Stau”, 2005 hat er einen desaströsen Auftritt beim Song Contest 2005 in Kiew. Aber er ist ist ein guter Unterhalter und kennt sein Charisma, bezieht das Publikum spontan mit ein, kommt gut rüber und schreibt immer mehr Musik-Kabarett. Er wird als stand-up comedian immer besser. Lieder schreiben ist seine wahre Liebe und voriges Jahr bekommt er wieder den “Salzburger Stier”. Ein Faden seines Programmes sind falsche, weil zu hohe/niedrige Erwartungshaltungen. Und weil er sie für das Publikum senkt, gewinnt er Sympathien. Tut und sagt was er denkt und beschenkt 200 Zuhörer mit einem wunderbaren Abend.