La Strada Graz Festival 2016

Vom 29. Juli bis 6. August 2016 wird Graz wieder zu einer großen Bühne, auf der voller Lebenslust neue Perspektiven geschaffen werden, verspricht das internationale Festival für Straßenkunst und Figurentheater. Und ich frage Werner Schrempf nach dem Pressegespräch, ob man das großartige Vorjahr übertreffen könne. Müsse man gar nicht, meint der Intendant, solange die Qualität gehalten werde. Und das tut sie, vermute ich. Wir werden berichten.

Opernring 12/I
8010 Graz
T. +43 316 69 55 80

La Strada ist eine Arbeitsgemeinschaft des Vereines zur Förderung von Straßenkunst und Figurentheater in Österreich und der Firma die ORGANISATION, Büro für Gestaltung und Veranstaltungsorganisation GmbH. Wer laufend am Laufenden sein möchte, dem steht die La Strada-App als gratis Download zur Verfügung.

La Strada 2016 wird im Grazer Opernhaus mit Cirkus Cirkör eröffnet | Foto © Mattias Edwall La Strada Graz 2016

La Strada 2016 wird im Grazer Opernhaus mit Cirkus Cirkör eröffnet | Foto © Mattias Edwall La Strada Graz 2016

Mit der La Strada-App findest du alle Gruppen und Aufführungen, Spielorte und Preise sowie einen Kalender, der auf einen Blick zeigt, was gerade wo stattfindet; Tickets bestellen ist genauso möglich wie Fotos und Videos der einzelnen Gruppen anzusehen. Und last but not least sind hier natürlich alle Social Media-Auftritte der Künstler verlinkt.

Die App ist kostenlos im App Store und im Google Play Store downloadbar. Das gesamte Programm gibt es auf lastrada.at zu sehen. Wir werden von der Eröffnung berichten und hier mit einem Rückblick abschließen.

Stattegg-Ursprung, am 12. Juli 2016

Eröffnung
Cirkus Cirkör – Limits

Visuelle Poesie auf der Erzähl- und Schaubühne des Cirkus Cirkör | Foto © Mats Bäcker

Tilde Björfors, die Gründerin des schwedischen Cirkus Cirkör, ist eine kluge Frau. Sie dachte schon als Kind, dass die Bewegung der Menschen über die Weltkugel diese in Balance hält. Auch ein Akrobat muss sich bewegen, sonst kippt, was auch immer er jongliert. Diese Analogie definiert gewissermaßen das Programm der Gruppe, die Grenzen nicht setzt, sondern sie ständig überschreitet, mit dem Reisepass so wie mit hoher akrobatischer Kunst. Parallel dazu zieht sich als narrativer Faden die Flüchtlingswelle, mit aktuellen Zahlen und Fakten visuell belegt, wie auch im Bühnenbild akribisch umgesetzt.

Cirkus Cirkör umgeht scheinbar auch die Grenze der Schwerkraft | Foto © Mats Bäcker

Migration sei zu befürworten, und wenn sich alle Beteiligten ein wenig entgegen kämen, könnten sich aus den Risiken neue Möglichkeiten eröffnen. Im Rückblick auf die Geschichte entstand Gutes meist aus Veränderung, meint die Schwedin. Ihr Land ist mit den Flüchtlingen so bunt wie die Welt. Und mir scheint die Farben werden satter, je höher man in den Norden blickt.

Die sechs Akrobaten und One-Woman-Band erhielten stürmischen Applaus, den sie sich mit den grandiosen Leistungen in Limits auch verdient hatten. Bis 5.8. noch fünfmal mit eigenen Augen zu sehen.

Stattegg-Ursprung, am 30. Juli 2016

Finale
Transe Express – Mù, cinématique des fluides

Mit einem großen & großartigen Finale endet auch die 19. Reinkarnation von Werner Schrempfs Straßenfestival. Das ist zumeist auch alles, was die Menschen in Erinnerung behalten, die ein solches Festival irgendwo auf der Welt gesehen haben. Spektakel dieser Größenordnung kommen oft so wie Transe Express aus Frankreich und ziehen kreuz und quer durch die Lande. Ich habe derartiges im Sydney Festival gesehen und es freut mich natürlich, dass dieser „neue Zirkus“ auch in unserem Großstädtchen Station macht.

Transe Express auf dem Weg zum Mond | Foto © La Strada

… und alles dazwischen

Neben den Extremen, Superlativen, sind es aber auch die leisen Töne, die La Strada ausmachen, allen voran Kudos für das aXe:körpertheater:graz – ich:sucht:leben (community art) im Grazer Stadtparkpavillon. Es war eine Freude zu erleben, wie gerührt die Darsteller den Applaus über sich ergehen ließen, wo doch viele von ihnen nur Obdachlosigkeit und unfreundliche Worte kannten. Sozialarbeit vom Feinsten und eine sympathische weil menschliche Komponente unserer Kultur. Ob es dem einen oder anderen hilft, aus dem Spinnennetz der Drogensucht (Bühnenbild) zu entfliehen, bleibt abzuwarten.

aXe:körpertheater:graz – ich:sucht:leben | Foto © Gerald Ganglbauer

Das Figurentheater trat mit zwei Produktionen hervor: Handmaids Berlin mit Salome, die das klassische Thema spannend und aktuell aufarbeiteten, indem sie meterweise Papier aufrollten, ihre „Puppen“ daraus formten und immer wieder zerknüllten, bis sie, in blutrotes Licht eingefärbt, Salomes Tod visualisierten, und, ebenso aus Deutschland, United Puppets mit A No Man Show (An Evening With Andy Warhol), das die Kultfigur der 60er Jahre in Erinnerung rief. Zwar hat Figurentheater eine loyale Fanbase im Grazer Publikum, die Plätze im Next Liberty blieben teilweise jedoch leer.

Figurentheater von United Puppets (0ben) und Handmaids Berlin (unten) | Fotos © Martin Hauer

Ich vermute, dass La Strada in der Bevölkerung zumeist im Kontext mit Straßenkünstlern verstanden wird, wo man im Sommer mit zufälligen Begegnungen rechnet, sofern man in der Innenstadt ist, sich jedoch nicht zu einer bestimmten Zeit irgendwo dafür einfindet und auch noch Karten kauft. Das höre ich jedenfalls gelegentlich, wenn ich das Gespräch auf La Strada lenke. Dass La Strada inzwischen auch die Randzonen der Stadt erfasst hat, muss sich erst noch herumsprechen. Noch eine Erschwernis: auf der Straße ist man dem Wettergott ausgeliefert, der es dieses Jahr gar nicht gut mit uns meinte.

Cheptel Aleïkoum – Maintenant ou Jamais | Fotos © Gerald Ganglbauer

Vom Wetter nicht betroffen, da unter einem Zirkuszelt, das äußerst unterhaltsame Programm von Cheptel Aleïkoum – Maintenant ou Jamais, in dem eine elfköpfige Circus Brass Band auf Fahrrädern das Publikum nicht nur unterhält, sondern auch einbindet. Auch ich wurde in die Zeltmitte eingeladen und durfte die Trommel schlagen, während sich die Band auf zwei Fahrrädern im Kreis neu konfigurierte. Unvorstellbar, wie viele Menschen auf ein Radl passen, ohne umzufallen. Man sah den Franzosen an, dass sie Spaß daran hatten und uns, ihr Publikum, gerne daran teilhaben ließen. Die charmante Akrobatin, die mich ins Zirkusrund entführte, bedankte sich danach bei mir mit einem Kuss und flüsterte mir in inniger Umarmung zu: „I’ve made the right choice with you, merci!“, worauf ich mich sofort unsterblich in sie (in den Zirkus) verliebte.

Irgendwie schade, dass ich vom eigentlichen Herzstück von La Strada heuer gar nichts mitbekommen habe. Für Straßentheater blieb mir kaum Zeit und war auch selten einladendes Wetter. Publikum zu sein, kann auch ganz schön anstrengen. Ich hoffe, nächstes Jahr noch so fit zu sein, um mich auf das 20. La Strada einzulassen.

Stattegg-Ursprung, 6. August 2016