Auster Open 2014

Das AUSTER OPEN hat schon Tradition in Graz-Eggenberg. Leo Kysèla und Freunde spielen dort ihre neuen Lieder dem Sommer zum Gefallen. Heuer spielten sie allerdings nichts Neues, sondern ein “best of slow songs 1988-2013”. Leider auch nicht mehr in der gemütlichen hinteren Ecke des Badeareals, sondern gleich hinter dem Eingang auf der Betonrampe. Keine gute Wahl wie es schien, wenn man das Publikum beobachtete: Kein mitschnippen, mitsingen, und tanzen zur Musik wie vor zwei Jahren. Dennoch ein schöner Abend voller Geigen (schon wieder) und langsamer Balladen.

Das letzte Mal bin ich Leo vor zwei Jahren in Wien über den Weg gelaufen. Wir waren zufällig beide Podiumsgäste bei der Barbara-Karlich-Show. Das war kurz vor dem Auster Open 2012, das ich danach besuchte, weil ich den Soulman schon lange nicht mehr gehört hatte. Damals spielte er für mich neue Balladen, die ich jetzt, bei der 2014 Ausgabe, schon beim ersten Akkord wieder erkenne. So vertraut wurden mir inzwischen die Lieder, dass ich gar nicht bedauerte, nichts Neues auf seinem neuen Album zu finden, sondern einfach das Beste. “Back In The Days”, “Stand By Me”, oder “Together”, das eine Hymne für die Parkinson Selbsthilfe wurde.

Zwei Jahre später, wieder in der Auster. Da saßen wir nun bei einem gepflegten Wein am Tischchen unter Menschen mehrheitlich Mitte 50+ auf Plastikstühlen. Und keiner kam der Aufforderung nach, mitzuschnippen (außer mir), oder sang den Refrain von Lou Reeds Walk On the Wild Side nach Ermunterung des Barden an der Gitarre vor (außer mir). Es herrschte eine ehrfürchtige Stimmung, ähnlicher der eines klassischen Konzerts als einem Soul- und Blues Open Air. Es mußte wirklich an der Bestuhlung liegen, denn vor zwei Jahren waren es dieselben Menschen, die Holzbänke vorfanden, von denen man lieber den Allerwertesten erhob um die Knochen ein bisschen zu bewegen. Damals tanzte und lachte man noch auf der Wiese vor der Bühne, heuer war alles irgendwie steif.

Publikum damals und heiute

Die Band war dieselbe. Leo Kysèla (vocals, guitars, bass guitar, blues harp) Louis Kiefer (bass guitar, ac. guitar, trombone) Jasmin Holzmann (vocals, percussion) Sascha Pätzold (viola, string perc.) Support & Guest: Joerg Veselka (vocals, guitar, mandolin) Special Guest: Giorgio Hammer (viola). Die Lieder waren nach wie vor gut, die Stimmen und die Arrangements einzigartig.

Stand By Me
                     
               When the night has come
                 And the land is dark
                 And the moon is the only light we'll see
                 No, I won't be afraid
                 Oh, I won't be afraid
                 Just as long as you stand, stand by me
               So darling, darling
                 Stand by me, oh stand by me
                 Oh stand, stand by me
                 Stand by me             
               If the sky, that we look upon
                 Should tumble and fall
                 And the mountain should crumble to the sea
                 I won't cry, I won't cry
                 No, I won't shed a tear
                 Just as long as you stand, stand by me
               And darling, darling
                 Stand by me, oh stand by me
                 Oh stand now, stand by me
                 Stand by me             
            And darling, darling
                Stand by me, oh stand by me
                Oh stand now, stand by me, stand by me
                Whenever you're in trouble won't you stand by me
                Oh stand by me, oh won't you stand now, stand
                Stand by me
                Stand by me
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Back In The Days feat. Joerg Veselka | Video: © Gerald Ganglbauer 2014

Ich weiss nicht, wie alt Leo Kysèla ist. Das hat er in seiner Biografie vergessen zu erwähnen. Er begann mit 12 Jahren zu musizieren, hatte mit 15 die erste eigene Band und erste Auftritte. Zwischen 17 und 19 war er bereits als Solist in Sachen Blues tätig. Danach Architekturstudium, zahlreiche Bandprojekte, Liveauftritte. Er ist 1,90 groß gewachsen, blond und blauäugig, im Sternzeichen Zwilling und Aszendent Widder. Ich lernte ihn an der Seite von Ripoff Raskolnikov kennen, so etwa Anfang der 80er Jahre. Damals spielte er im Duo Power Project.

Er blieb aber bis heute unter dem Radar der Musikindustrie, hat keinen Plattenvertrag, ist nicht auf Wikipedia, hat kein Album auf iTunes. Seine CDs sind im Eigenverlag erschienen und die gibt’s nach den Konzerten zu kaufen. That’s it. Er ist Architekt, Tennislehrer, Skipper, jedoch seit 1986 hauptberuflich Musiker, Komponist und Produzent. Und vom Strahlen seiner Augen abgeleitet, als ich ihn auf ein kurzes Gespräch treffe, scheint er glücklich zu sein. Das Leben schmeckt ihm. Was will man auch mehr von der Musik.

Diskografie (Auswahl):

Soul Singer” Best of Slow Songs 1988-2013 (2014), Gurgaon Sunset (2011), Living in the Steinwehr (2008), Live im Bad zur Sonne (2006), The Souly Nights 1999 (2000).

Leo Kysèla am Web – www.kysela.at

Ursprung, am 20. Juni 2014

21st Century Bluesman

Es muss 1982 oder 1984 gewesen sein, jedenfalls noch im Zeitalter der Musik-Kassetten, dass ich Ripoff Raskolnikov, der eigentlich Lutz Knoglinger heisst, als 20th Century Bluesman für eine Mini-Gage auf die Bühne der “Grazer Straßenliteraturtage” holen durfte. Drei Jahrzehnte später, im 21. Jahrhundert, habe ich ihn in einem urgemütlichen Aussie Pub in Graz wieder entdeckt. Nach der Gage habe ich gar nicht erst gefragt, aber wie es denn seiner Frau ginge. Oops, Fettnäpfchen.

1984 widmeten wir ihm eine Doppelseite im allerersten Gangan-Buch, seither ist viel geschehen.

Als ich grinsend auf ihn zu steuere, hat er mich zuerst gar nicht erkannt. Nun ja, drei Jahrzehnte müssen Spuren hinterlassen haben. Damals, zur Zeit jener fünf Jahre lang von mir organisierten “Grazer Straßenliteraturtage”, waren wir beide jung, glücklich verheiratet und unverwundbar. Aber jetzt, mit all den Lebenserfahrungen unterm Gürtel, ist sein Blues noch besser, gereifter, authentischer und das führt er zurück auf “die Konsequenz, mit der er seinen Weg geht, ohne sich um Modeströmungen jeglicher Herkunft zu kümmern, und die unerschütterliche Integrität, mit der er versucht, menschliche Emotionen wie Liebe, Leidenschaft, Verlust, Schmerz, Verlangen, die Suche nach Schönheit, den Hunger auf das Leben oder die Angst vor dem Tod auszuloten und in Musik zu verwandeln”, wie es auf seiner Homepage steht und was nicht besser formuliert werden kann – www.ripoffraskolnikov.com

Ripoff Raskolnikov wurde am 9. August 1955 in Linz geboren, kam bald darauf nach Graz und als wir uns kennen lernten war er in Gleisdorf verheiratet. Nach meiner Scheidung und dem damit einhergehenden Umzug nach Wien im Jahr 1986 haben wir einander für lange Zeit aus den Augen verloren. Es hat ihn nach Budapest (Ungarn) verweht, jetzt lebt er wieder in Graz. Ein umtriebiger Singer/Songwriter, dessen Biografie auch irgendwie an meine eigene erinnert. Auch nach meinen 25 Jahren “on the road” in Australien habe ich meine temporären Luftwurzeln wieder in die Gartenerde der alten Heimat vergraben. Vielleicht spricht mich Blues auch deshalb an, obwohl seine Vertreter wie Blind Willie McTell, Skip James, Robert Johnson oder John Lee Hooker nicht gerade zu meiner täglichen Kost gehören. Auch wenn man in diese Musik durchaus hinein kippen kann.

Ein 14:20 Medley aus Open Air und Pub | Video: © Gerald Ganglbauer 2014

Als Draufgabe gab es noch eine Ballade von Tom Waits, an den er nicht nur mit der rauen Stimme und durch das Markenzeichen Hut erinnert, sondern mit dem Ripoff Raskolnikov auch irgendwie seelenverwandt zu sein scheint. Aber obwohl Bob Dylan und der Letztgenannte vereinzelt bei Raskolnikov im Programm auftauchen, kopiert er sie nicht, sondern bleibt seinem eigenen Stil treu.

Es war jedenfalls schön, ihn wieder zu treffen. Das Konzert und die Stimmung im Aussie Pub haben uns sehr gefallen. Einziger Wermutstropfen: Im Lokal wird geraucht! Was mich sehr wundert, da in Australien alle Pubs längst rauchfrei sind. Österreichs Politiker hinken zum Leidwesen gesunder Menschen ziemlich hinterher. Es bleibt zu hoffen, dass europäischer Druck diesen Missstand baldigst aufhebt.

Diskografie (die letzten drei Alben): „Everything Is Temporary“ (2006) mit: Highway 5, Set designer blues, Two-point-two-re-run; „Lost & Found“ (2010) mit: Always on your side, It’s not easy und „Lenin Street“ (2012) mit: Lenin street, Never felt so good, Lullaby.

Ursprung, am 2. Juni 2014