Es muss 1982 oder 1984 gewesen sein, jedenfalls noch im Zeitalter der Musik-Kassetten, dass ich Ripoff Raskolnikov, der eigentlich Lutz Knoglinger heisst, als 20th Century Bluesman für eine Mini-Gage auf die Bühne der “Grazer Straßenliteraturtage” holen durfte. Drei Jahrzehnte später, im 21. Jahrhundert, habe ich ihn in einem urgemütlichen Aussie Pub in Graz wieder entdeckt. Nach der Gage habe ich gar nicht erst gefragt, aber wie es denn seiner Frau ginge. Oops, Fettnäpfchen.
Als ich grinsend auf ihn zu steuere, hat er mich zuerst gar nicht erkannt. Nun ja, drei Jahrzehnte müssen Spuren hinterlassen haben. Damals, zur Zeit jener fünf Jahre lang von mir organisierten “Grazer Straßenliteraturtage”, waren wir beide jung, glücklich verheiratet und unverwundbar. Aber jetzt, mit all den Lebenserfahrungen unterm Gürtel, ist sein Blues noch besser, gereifter, authentischer und das führt er zurück auf “die Konsequenz, mit der er seinen Weg geht, ohne sich um Modeströmungen jeglicher Herkunft zu kümmern, und die unerschütterliche Integrität, mit der er versucht, menschliche Emotionen wie Liebe, Leidenschaft, Verlust, Schmerz, Verlangen, die Suche nach Schönheit, den Hunger auf das Leben oder die Angst vor dem Tod auszuloten und in Musik zu verwandeln”, wie es auf seiner Homepage steht und was nicht besser formuliert werden kann – www.ripoffraskolnikov.com
Ripoff Raskolnikov wurde am 9. August 1955 in Linz geboren, kam bald darauf nach Graz und als wir uns kennen lernten war er in Gleisdorf verheiratet. Nach meiner Scheidung und dem damit einhergehenden Umzug nach Wien im Jahr 1986 haben wir einander für lange Zeit aus den Augen verloren. Es hat ihn nach Budapest (Ungarn) verweht, jetzt lebt er wieder in Graz. Ein umtriebiger Singer/Songwriter, dessen Biografie auch irgendwie an meine eigene erinnert. Auch nach meinen 25 Jahren “on the road” in Australien habe ich meine temporären Luftwurzeln wieder in die Gartenerde der alten Heimat vergraben. Vielleicht spricht mich Blues auch deshalb an, obwohl seine Vertreter wie Blind Willie McTell, Skip James, Robert Johnson oder John Lee Hooker nicht gerade zu meiner täglichen Kost gehören. Auch wenn man in diese Musik durchaus hinein kippen kann.
Als Draufgabe gab es noch eine Ballade von Tom Waits, an den er nicht nur mit der rauen Stimme und durch das Markenzeichen Hut erinnert, sondern mit dem Ripoff Raskolnikov auch irgendwie seelenverwandt zu sein scheint. Aber obwohl Bob Dylan und der Letztgenannte vereinzelt bei Raskolnikov im Programm auftauchen, kopiert er sie nicht, sondern bleibt seinem eigenen Stil treu.
Es war jedenfalls schön, ihn wieder zu treffen. Das Konzert und die Stimmung im Aussie Pub haben uns sehr gefallen. Einziger Wermutstropfen: Im Lokal wird geraucht! Was mich sehr wundert, da in Australien alle Pubs längst rauchfrei sind. Österreichs Politiker hinken zum Leidwesen gesunder Menschen ziemlich hinterher. Es bleibt zu hoffen, dass europäischer Druck diesen Missstand baldigst aufhebt.
Diskografie (die letzten drei Alben): „Everything Is Temporary“ (2006) mit: Highway 5, Set designer blues, Two-point-two-re-run; „Lost & Found“ (2010) mit: Always on your side, It’s not easy und „Lenin Street“ (2012) mit: Lenin street, Never felt so good, Lullaby.
Ursprung, am 2. Juni 2014