Samstag, 16. November 2024, 20:00 Brian Krock – alto sax, Alex Goodman – guitar, Marty Kenney – bass, Peter Lenz – drums
Vier Musiker aus drei verschiedenen Ländern haben gemeinsam an der Manhattan School of Music in New York studiert. Nun, beinahe zehn Jahren später wird es Zeit für ein Klassentreffen, und woanders könnte ebendieses stattfinden als logischerweise in Graz. Für Peter Lenz ist es nicht der erste (und hoffentlich auch nicht der letzte) Auftritt im Tubes, wohnt er doch nur ein paar Straßen entfernt. Der kanadische Gitarrist Alex Goodman, frisch gebackener Professor am Institut für Jazz in Graz wird sich dem Grazer Konzertpublikum ebenso schnellstens ins Gedächtnis spielen. Brain Krock am Saxophon und Marty Kenney am Bass werden im November mit Lenz’ Orchester Projekt in Österreich unterwegs sein, und so treffen sich alle vier wieder in Graz. Nachdem das ein zu großer Zufall ist, um ihn einfach unbeeindruckt verstreichen zu lassen, muss das natürlich unbedingt mit einem Konzert im Tubes gefeiert werden.
Zum zehnten Mal durchdrangen „steirische Klänge“ das Grazer PPC. Das dreitägige Festival für heimischen Nach- und Wildwuchs erfreut sich einer treuen Fangemeinde, die treppauf treppab den dargebotenen gut zwei Dutzend Acts folgte. Darbietungen auf zwei Ebenen sind eine Menge Stufen für ältere Semester wie mich, weshalb ich vorsichtshalber nur den dritten Tag besucht hatte. Dabei konnten die kreativen Namen der Bands von Tag 1 + 2 auf dem nur 7×10 cm großen Programmflyer wie ein Gedicht gelesen werden: Buena Banda/ Fette Fete/ Rote Augen/ Coinflip Cutie. Von allen gibts neue Alben zum Nachhören.
Max Höfler und Ronny Wenzel sind „Lil Franz“
Tag 3 eröffnete mit Umami am Mainfloor und knapp darauf Lil Franz an der PPC Bar mit einer Album Release Show von „Chillen im Elend“, einer gar köstlichen Persiflage von Max Höfler und seinem Sidekick Ronny Wenzel.
„ONK LOU“ am PPC Mainfloor
Den stimmgewaltigen Onk Lou hörte ich mir noch an, den Rest der langen Nacht überliess ich der Jugend.
Nach 40 Jahren steigt Phönix aus der Asche?Heimo Steps 1946–2022Gerhard Kosel 1959–
40 Jahre gamsbART gilt es zu feiern und zwar ordentlich. Es wird eine Mega-Fete geben, versprochen! Denn am 11.04. wird das ganze Orpheum zur Bühne und zur Begegnungszone. Sie erwartet ein tolles Programm voller Überraschung mit hoffnungsvollem Blick auf Zukünftiges: Zum einen präsentieren langjährige Wegbegleiter von gamsbART dynamische Projekte und junge Künstler, zum anderen bitten wir absolute Senkrechtstarter auf die Bühne des Orpheums.
Soweit die Werbung des Veranstalters, die andernorts auch als Abschied gelesen wird. Aber vielleicht wusste Martin Gasser von der Kleinen Zeitung noch weitere Details vom nunmehr pensionierten Veranstalter und seinem Trägerverein.
>> Totgesagte leben besonders lang <<
Gerhard Kosel
Erst vor ein paar Tagen hatte ich die mehrlagig überklebte Konzertplakatwand im Stockwerk Jazz Club genauer gemustert. Alle Plakate im unverwechselbaren Design von Herms Fritz musste ich verblüfft feststellen, dass gamsbART den Großteil davon veranstaltet hatte und ich in den 80ern viele davon live erleben durfte. Das waren die Jahre, wo ich ständig und überall Heimo Steps über den Weg gelaufen bin, den ich von den Anfängen von gamsbART kannte . Das dürfte so etwa 40 Jahre her sein und war für meine Liebe zu Jazz enorm wichtig. Die Konzerte im M59 von Eberhard Weber, Dollar Brand, Pat Metheny oder Jan Garbarek sind unvergessen.
Vor ca. 35 Jahren übernahm Gerhard Kosel das Management und da ich 25 Jahre lang meinen Lebensmittelpunkt in Sydney hatte, blieb das weitgehend unter meinem Radar. Da wir nach meiner Rückkehr voneinander nichts wussten, kam es anfangs in der GMD zu etwas Abrieb bei der Akkreditierung, der im tube’s wieder geglättet wurde.
Seien wir also gespannt. Das (Abschieds-)fest beginnt im Orpheum am 11. April 2024 um 19:30 (dem Welt-Parkinson-Tag) und ich bin überzeugt, dass ein Umtriebiger wie Gerhard Kosel auch nach dem Ende von gamsbART einiges aus dem Hut zaubern wird.
>> Wir laden Sie, ja genau Sie herzlich ein mit uns zu feiern. Lassen Sie sich überraschen! <<
Gerhard Kosel
Das Fest: Gerhard Kosel liess sich feiern
Der „Rockstar“ Gerhard Kosel
Musiker aus fünf Generationen um Raphael Meinhart bis hin zum Pianisten Martin Listabarth durften jeweils fünf Minuten ihre Musik spielen. Das waren viele, die in 40 Jahren 5.000 Konzerte gespielt haben sollen. Dann war noch den Unterstützern und Sponsoren zu danken und der Verstorbenen zu gedenken und selbstverständlich dankte auch der Obmann des Vereins am Karmeliterplatz 5 den Politikern, die in Form von Subventionen den Verein am Leben erhielten. Unter dem Publikum wurden tolle Preise verlost, vom Jahreseintritt in den Grazer Jazz Club tube’s bis zu einer Flugreise nach New York ins Village Vanguard. Fragen nach der Zukunft und wie es mit gamsbART und Gerhard Kosel in Pension weiter ginge, blieben unbeantwortet.
Auf die versprochene „Überraschung“ musste das Publikum bis zum Finale um 1 Uhr früh warten: eine allerletzte Jam Session, Gerhard Kosel himself betritt die Bühne und ihm wird statt eines Mikrofons für eine weitere Ansprache ein Paket geliefert. Er öffnet es umständlich und entnimmt ihm eine Steel Drum, die er aufstellt und völlig aus dem Takt darauf trommelt. Vielleicht wollte er damit zugeben, dass er zwar viele Talente, jedoch kein Gefühl für Rhythmus im Blut hat. Und so beendete er die fast sechsstündige Veranstaltung mit dem simplen „Kling“ einer Triangel.
Die Musiker dieses Wiener Trios bewegen sich in einem Bereich, der Wechselwirkungen zwischen Jazz, Neuer Musik und experimentellen, malerisch-expressiven Ansätzen ermöglicht. So ist von dieser Begegnung buchstäblich alles Mögliche zu erwarten. Im Zentrum der besonders responsiven Ausdrucksweise steht jedoch die Hingabe an den Moment.
Spricht man hierzulande vom experimentellen Jazz und dessen herausragenden Exponenten, so fällt mit Sicherheit nach kurzer Zeit der Name Franz Hautzinger. Ohne Zweifel zählt der Trompeter zu den anerkanntesten Vertretern der heimischen Jazzszene. Auch im Ausland genießt der enorm vielseitige Musiker inzwischen einen hervorragenden Ruf.
Hautzinger einer bestimmten Kategorie zuzuordnen, ist nahezu unmöglich. Dafür tanzt er schlicht und einfach auf zu vielen Hochzeiten. So bewegt sich der gebürtige Burgenländer, der vor etwa hundert Jahren sogar an der Grazer Musikhochschule (heute KUG) studiert hat, ständig im Spannungsfeld zwischen den verschiedensten musikalischen Welten, die er durch sein Spiel in kausaler Nähe zum Jazz in Verbindung bringt. Der Trompeter fühlt sich in der zeitgenössischen Musik genauso beheimatet, wie im Jazz, in der Neuen Musik oder der Weltmusik.
Als viel beschäftigter Solist oder in zahlreichen Ensembles, stets ist der 61-jährige Virtuose in der Lage, durch sein ungemein facettenreiches Spiel dem Gesamtwerk seinen unverwechselbaren Stempel aufzudrücken.
Samstag, 6. April, 20:00 Uhr live im Stockwerk Otmar Klammer
Hautzinger 3 LIVE im Stockwerk Fotos Gerald Ganglbauer
Harri Sjöström (SF) – soprano sax Elisabeth Harnik (AT) – piano John Edwards (GB) – bass Tony Buck (AU) – drums, vocals
Dieses illustre Quartett ist ein internationales, sehr prominent besetztes Ensemble für zeitgenössische improvisierte Musik und wurde eh erst 2022 gegründet. Das ist so gut wie gestern. Erstmals (wer es besser weiß, stehe auf und sage es, oder er möge für immer schweigen) ist dabei der finnische Holzbläser Harri Sjöström im Stockwerk zu hören, ein Meister am Sopran und Sopranino Saxophone, den wir vor allem aus seiner Zusammenarbeit mit Cecil Taylor in den 90er-Jahren in guter Erinnerung haben.
Die vier ausgeprägten Individualisten bewegen sich auf extrem breitem Terrain und innert erstaunlich großer, immer wieder überraschend dynamischer Spektren. Explosive Freiflüge, radikale Echtzeit- Kompositionen, Free Jazz-Anklänge und subtile, fragil träumerische Soundscapes verweben sich zu atmosphärisch aufgeladenen Klangerlebnissen. Spontan und trocken, wie es sich im Jazz gehört, frisch, sperrig, aber auch verführerisch wild. Instant Composing at it’s best! (Otmar Klammer)
Harri Sjöström
Live zu erleben am Samstag, 3. Februar, 20:00 Uhr im Stockwerk, Graz
Das Orpheum Graz diente wieder einmal als Location für den Start einer Österreich-Tour von Buntspecht, die schon das siebte Album in ihrer Diskografie haben, und damit eine album release show spielen, mit der Support Band Endless Wellness, deren Debüt Single “Hand im Gesicht” FM4 Hörern als #nackabazi bekannt ist.
Endless Wellness live in Graz
Buntspecht ist eine sechsköpfige österreichische Indie-Pop-Band aus Wien und in Graz kein unbeschriebenes Blatt. Im ausverkauften Haus sang das Publikum die Lyrics mit Florentin Scheicher und Lukas Klein und applaudierte begeistert.
Ihre neue Platte trägt den Titel „An das Gestern, das nie Morgen wurden darfte. Ich warte“ und ist auf Vinyl und CD erschienen, aber ich kann dazu nichts berichten, da der Manager mir ein Muster verweigerte („Gangway kenne ich nicht“) und ihm € 15 in der Kasse lieber waren, als eine Besprechung. Schrulliger Typ.
Florentin Scheicher und Lukas KleinJakob LangEine farbenfrohe Bühne für bunte VögelBuntspecht live in Graz
Vor dem Konzert plauderte ich mit Jakob Lang, einem Urvogel der Buntspechte, dem ich zufälllig über den Weg lief. Er spielt E-Bass und Kontrabass, was man am kräftigen Händedruck bemerkt, wie ich mir einbilde. Bei unserer Unterhaltung musste ich zugeben, kaum etwas über die Band zu wissen. Ich hatte sie ein paar Mal im Radio gehört und da waren sie mir aufgefallen und ich wollte sie einmal live sehen.
Orpheum Graz
Und die Show war die extra Anstrengung wert. Allein Florentin Scheicher zuzusehen, wie er einem tanzenden Derwisch gleich über die Bühne fegt, als ob seine Knochen biegsam wären. Gemeinsam mit Gitarrist Lukas Klein textet und slngt er in der Gruppe. Spass haben sie jedenfalls alle mit ihrer Musik, was sich schnell auf junge wie alte Hörer überträgt.
Die Keplerspatzen laden zum gemeinsamen Träumen ein. Gemeint ist damit keine Realitätsflucht. Und wer diesen jungen, stets frischen Chor kennt, weiß auch, dass es wohl kaum die Müdigkeit sein kann, die an diesem Abend Rhythmus und Intonation vorgeben. Nein, es geht hier um den Traum einer besseren, gerechteren, mit einem Wort, einer menschlicheren Welt.
Als Ouvertüre dient die zeitgenössische Bearbeitung eines Meisterwerks der Madrigalmusik, welches in seiner Schlichtheit die Quintessenz dieses Abends zum Erklingen bringt: Because all men are brothers. Sodann geht es auch schon mit (zwei) großen Schritten (Mozart und Schubert) weiter zur Musik des 20. Jahrhunderts und unserer heutigen Tage. Hier ertönt das Thema in all seiner Vielschichtigkeit. So offenbarte das Träumen gerade im 20. Jahrhundert auch seine Schattenseiten: Wenn etwa im Namen einer erträumten und angeblich perfekten Welt von Morgen, das Bestehende (das dem höheren Ziel entgegenzustehen scheint) negiert, die Freiheit versklavt und die Wahrheit verleugnet wird – all das im Namen eines Zwecks, der angeblich die Mittel heiligt. So kommt auch im – nur scheinbar – leichtfüßigen Dialog von Kälbchen und Schwalbe („Dana, Dana“) die unerträgliche Tatsache zur Sprache, dass Menschen zur Schlachtbank geführt werden. Auch wenn man wegen dieser möglichen Gefährlichkeit das Träumen von einer besseren Welt kompromittiert sieht, als hoffnungsvoller Blick in die Zukunft ist es existenzielle Notwendigkeit: Hold fast to dreams, for if dreams die, life is a broken-winged bird that cannot fly. Gemeint ist hier wohl auch der notwendige Optimismus, aus dem wir tagtäglich schöpfen, wenn wir morgens unsere Augen öffnen: You are the new day. I will love you more than me and more than yesterday. Er durchströmt uns als unaussprechliche Hoffnung, als namenlose Vorfreude, die ihren Gegenstand noch gar nicht kennt: Something’s coming, I don’t know what it is, but is gonna be great. Als gute Stimmung ist sie die Kraftquelle, die den Traum einer besseren Welt auch Umzusetzen ermöglicht: Be the change you want to see. Zu dieser Stimmung möchten die Keplerspatzen mit ihren kräftigen Stimmen etwas beitragen: We sing out our truth („Song for Justice“). Und überhaupt, was gibt es besseres als einen Chor für das gemeinsame Träumen? In music we are one („One Voice“).
Ein australischer Bluesman mit Hong Kong-chinesischer Mutter, der in Wien lebt, war DIE Entdeckung am „Platoo Montag“ in der Scherbe.
Zweimal Somerset Barnard: am Cover von The Stranger und live in der Scherbe (Doppelbild)
Als wir uns vor der Show unterhielten, wirkte er beinahe schüchtern, auf der Bühne dann jedoch selbstsicher und stimmgewaltig, diese Stimme hätte sicher auch unplugged den Scherbenkeller beschallt. Er würdigt den Delta Blues, hat einiges von seinen Idolen gelernt (geklaut wie er sagt), wie Ry Cooder oder Robert Johnson, hat jedoch seinen eigenen Weg gefunden und geht ihn konsequent, ob als Straßenmusiker oder auf einem Blues Festival.
Inhalte sind die Themen des Genres: Mexikanische Flüchtlinge, Rassen Diskriminierung, Besäufnisse, Obdachlose (Poor Black Sally), Gospel (The Saviour) obwohl er ausdrücklich nicht religiös ist. Seit sechs Jahren bereist er nun von Wien aus die Welt, hat aber auch zwei Alben in der Cselley Mühle im Burgenland eingespielt, u.a. mit Ernst Molden: „Trains & Churches“ (2018) und „The Stranger“ (2020), ein Buch wird folgen.
Wie viele Australier ist er ein constant traveler der Brisbane (Queensland) verlassen hat um zu den Lehrern des Blues zu reisen, selbstredend in die USA, wo sein Vater gearbeitet hatte, aber auch in Länder wie Sierra Leone, wo er durch einen einzigen Moskitostich schwer an Malaria erkankte, aber aus seinen Fieberträumen Lieder entstehen ließ.
Mit einer Anekdote von einer Guinnes Bier-Sauftour in Irland erklärt er die seltsame Slide Gitarre aus einer Keksdose und einem Treibholz, das er beim Surfen gefunden und daraus ein schnarrendes Instrument gebaut hatte. Und das neben einer Gitarre, die er seine „Freundin“ nennt und die ihn überallhin treu begleitet hat.
Als story teller behandelt er immer wieder Beobachtungen, die er nicht aus Neugier, sondern unterbewusst und wertfrei anstellt, Analysen, die ihm helfen Tag für Tag als „Fremder“ zu leben.
Nein, nicht die Zauberei aus dem schwarzen New Orleans, sondern der Strizzi aus Tulln, der den Wiener Schmäh perfekt drauf hat. Fast so wie der andere Jürgens.
Die Loge 1 teilte ich mit Bernd Melichar, bemerkte es aber erst am Ende der Show, als das Licht anging. Meine Nachbarin in Loge 2 filmte ich weil sie Voodoos Hit „2L Eistee“ Wort für Wort mitsang. Als ich sie danach um Erlaubnis bat, den Clip veröffentlichen zu dürfen, stellte sich heraus, dass wir einander vom p.p.c. kannten. Also doch Voodoo?
Voodoo Jürgens hatte ich vor ein paar Jahren im Grazer Schauspielhaus kennen gelernt. Damals war er unkompliziert und offen und wir führten ein angenehmes Gespräch über ein mögliches Duett und allerlei andere Dinge. Im Orpheum war er sehr in Eile, konnte sich aber zumindest an mich erinnern. Nun ja, mit Berühmtheit kommen Allüren.
Dieses Konzert war gedacht als die Release Show seines neuen Albums „Wie die Nocht noch jung woa“, aber als ich mich auf den Heimweg machte, konnte ich kein einziges Lied dieses Albums erinnern. „Angst haums“ und „Heite grob ma Tote aus“ waren viel zu mächtig, um Neuem Platz zu machen. Als Beweis dient folgendes Publikum Video seiner Debüt Single, das sein „Sound System“, „Die Ansa Panier“ als Draufgabe feil bot.
Und so erinnert sich mein in der Loge vorerst unsichtbarer Kollege an den Abend.
Bernd Melichars Höhepunkt: Voodoo Jürgens‘ eigene Interpretation von „Angst haums“.