Somerset Barnard am Platoo Montag

Ein australischer Bluesman mit Hong Kong-chinesischer Mutter, der in Wien lebt, war DIE Entdeckung am „Platoo Montag“ in der Scherbe.

Zweimal Somerset Barnard: am Cover von The Stranger und live in der Scherbe (Doppelbild)

Als wir uns vor der Show unterhielten, wirkte er beinahe schüchtern, auf der Bühne dann jedoch selbstsicher und stimmgewaltig, diese Stimme hätte sicher auch unplugged den Scherbenkeller beschallt. Er würdigt den Delta Blues, hat einiges von seinen Idolen gelernt (geklaut wie er sagt), wie Ry Cooder oder Robert Johnson, hat jedoch seinen eigenen Weg gefunden und geht ihn konsequent, ob als Straßenmusiker oder auf einem Blues Festival.

Inhalte sind die Themen des Genres: Mexikanische Flüchtlinge, Rassen Diskriminierung, Besäufnisse, Obdachlose (Poor Black Sally), Gospel (The Saviour) obwohl er ausdrücklich nicht religiös ist. Seit sechs Jahren bereist er nun von Wien aus die Welt, hat aber auch zwei Alben in der Cselley Mühle im Burgenland eingespielt, u.a. mit Ernst Molden: „Trains & Churches“ (2018) und „The Stranger“ (2020), ein Buch wird folgen.

Wie viele Australier ist er ein constant traveler der Brisbane (Queensland) verlassen hat um zu den Lehrern des Blues zu reisen, selbstredend in die USA, wo sein Vater gearbeitet hatte, aber auch in Länder wie Sierra Leone, wo er durch einen einzigen Moskitostich schwer an Malaria erkankte, aber aus seinen Fieberträumen Lieder entstehen ließ.

Mit einer Anekdote von einer Guinnes Bier-Sauftour in Irland erklärt er die seltsame Slide Gitarre aus einer Keksdose und einem Treibholz, das er beim Surfen gefunden und daraus ein schnarrendes Instrument gebaut hatte. Und das neben einer Gitarre, die er seine „Freundin“ nennt und die ihn überallhin treu begleitet hat.

Als story teller behandelt er immer wieder Beobachtungen, die er nicht aus Neugier, sondern unterbewusst und wertfrei anstellt, Analysen, die ihm helfen Tag für Tag als „Fremder“ zu leben.

Infos somersetbarnard.com

21st Century Bluesman

Es muss 1982 oder 1984 gewesen sein, jedenfalls noch im Zeitalter der Musik-Kassetten, dass ich Ripoff Raskolnikov, der eigentlich Lutz Knoglinger heisst, als 20th Century Bluesman für eine Mini-Gage auf die Bühne der “Grazer Straßenliteraturtage” holen durfte. Drei Jahrzehnte später, im 21. Jahrhundert, habe ich ihn in einem urgemütlichen Aussie Pub in Graz wieder entdeckt. Nach der Gage habe ich gar nicht erst gefragt, aber wie es denn seiner Frau ginge. Oops, Fettnäpfchen.

1984 widmeten wir ihm eine Doppelseite im allerersten Gangan-Buch, seither ist viel geschehen.

Als ich grinsend auf ihn zu steuere, hat er mich zuerst gar nicht erkannt. Nun ja, drei Jahrzehnte müssen Spuren hinterlassen haben. Damals, zur Zeit jener fünf Jahre lang von mir organisierten “Grazer Straßenliteraturtage”, waren wir beide jung, glücklich verheiratet und unverwundbar. Aber jetzt, mit all den Lebenserfahrungen unterm Gürtel, ist sein Blues noch besser, gereifter, authentischer und das führt er zurück auf “die Konsequenz, mit der er seinen Weg geht, ohne sich um Modeströmungen jeglicher Herkunft zu kümmern, und die unerschütterliche Integrität, mit der er versucht, menschliche Emotionen wie Liebe, Leidenschaft, Verlust, Schmerz, Verlangen, die Suche nach Schönheit, den Hunger auf das Leben oder die Angst vor dem Tod auszuloten und in Musik zu verwandeln”, wie es auf seiner Homepage steht und was nicht besser formuliert werden kann – www.ripoffraskolnikov.com

Ripoff Raskolnikov wurde am 9. August 1955 in Linz geboren, kam bald darauf nach Graz und als wir uns kennen lernten war er in Gleisdorf verheiratet. Nach meiner Scheidung und dem damit einhergehenden Umzug nach Wien im Jahr 1986 haben wir einander für lange Zeit aus den Augen verloren. Es hat ihn nach Budapest (Ungarn) verweht, jetzt lebt er wieder in Graz. Ein umtriebiger Singer/Songwriter, dessen Biografie auch irgendwie an meine eigene erinnert. Auch nach meinen 25 Jahren “on the road” in Australien habe ich meine temporären Luftwurzeln wieder in die Gartenerde der alten Heimat vergraben. Vielleicht spricht mich Blues auch deshalb an, obwohl seine Vertreter wie Blind Willie McTell, Skip James, Robert Johnson oder John Lee Hooker nicht gerade zu meiner täglichen Kost gehören. Auch wenn man in diese Musik durchaus hinein kippen kann.

Ein 14:20 Medley aus Open Air und Pub | Video: © Gerald Ganglbauer 2014

Als Draufgabe gab es noch eine Ballade von Tom Waits, an den er nicht nur mit der rauen Stimme und durch das Markenzeichen Hut erinnert, sondern mit dem Ripoff Raskolnikov auch irgendwie seelenverwandt zu sein scheint. Aber obwohl Bob Dylan und der Letztgenannte vereinzelt bei Raskolnikov im Programm auftauchen, kopiert er sie nicht, sondern bleibt seinem eigenen Stil treu.

Es war jedenfalls schön, ihn wieder zu treffen. Das Konzert und die Stimmung im Aussie Pub haben uns sehr gefallen. Einziger Wermutstropfen: Im Lokal wird geraucht! Was mich sehr wundert, da in Australien alle Pubs längst rauchfrei sind. Österreichs Politiker hinken zum Leidwesen gesunder Menschen ziemlich hinterher. Es bleibt zu hoffen, dass europäischer Druck diesen Missstand baldigst aufhebt.

Diskografie (die letzten drei Alben): „Everything Is Temporary“ (2006) mit: Highway 5, Set designer blues, Two-point-two-re-run; „Lost & Found“ (2010) mit: Always on your side, It’s not easy und „Lenin Street“ (2012) mit: Lenin street, Never felt so good, Lullaby.

Ursprung, am 2. Juni 2014