40 Jahre Karlheinz Miklin Trio

Es ist schon seltsam, wenn einem das Alter unverblümt vor Augen geführt wird. Wenn etwa die eigene Matura schon so lange zurückliegt, dass man die Zeitspanne in Jahrzehnten angeben könnte, verdrängt man es mit Leichtigkeit. Wenn man andererseits aber zugeben muss, dass man zu jener Zeit ein Jazz-Trio im längst nicht mehr existierenden M59 gesehen hat, das heuer bereits 40 Jahre seines Bestehens feiert, fühlt man sich wirklich alt.

Es sei denn, man macht es wie wie Otmar Klammer, der den April 1978, das war der Monat, in dem es das erste Konzert des Karlheinz Miklin Trios gab, mit Hamburg verbindet, wo im April 1978 der 1. FC Köln durch einen 5:0 Sieg über den FC St. Pauli zum dritten Mal Deutscher Fußballmeister wurde.

Wie das Beispiel aus dem Sport zeigt, lässt sich je nach Standpunkt alles relativieren. Ewald Oberleitner – Heimo Steps nennt ihn den Herzmuskel der Grazer Jazzszene – sieht man seine 80 überhaupt nicht an und der Bandgründer mit Kärntner Abstammung  Karlheinz Miklin ist auch schon 71. Den beiden Haudegen der Originalbesetzumg scheint das Alter beim musizieren gar nichts auszumachen, nur in den Zwischenräumen wirkt Miklin irgendwie gesundheitlich geschwächt, will es (sich) aber nicht eingestehen.

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Zugegebenermassen war es heiss und schwül im Saal, Miklin nannte es eine Sauna, obwohl Hausherr Otmar Klammer den größten Ventillator in Betrieb genommen hatte, den es zu kaufen gab. Ein Umstand, dem das Stockwerk mit „Hitzeferien“ bis September begegnet. Im Herbst soll es kräftig weitergehen.

Zurück zur Besetzung: Der dritte Mann im Trio ist nach einigem Wechsel nun Miklins Sohn, Karlheinz Miklin Jun. Schlagzeuger bei The Base, und mit 47 genau zwischen Karlheinz Sen. und der nächsten Generation von Miklins, die auch schon bei Rockkonzerten gesichtet wurden. Er ist Mountainbiker, fit wie ein Turnschuh und somit die perfekte Ergänzung.

Zur Feier des 40ers hat Miklin das Trio vorübergehend auf ein Sextett aufgestockt und sich drei Herren geborgt, die in ihrer Virtuosität dem Meister in nichts nachstehen: Gerhard Ornig (Trompete und Flügelhorn), Daniel Holzleitner (Posaune) und Anil Bilgen am Klavier, allesamt Profis, die in anderen Besetzungen schon von sich hören liessen und mit den Kompositionen von Miklin eine starke Affinität bewiesen haben.

Kurz vor Mitternacht gab es langen Schlussapplaus und nach einer Zugabe waren alle zufrieden und erleichtert, dass sie ein Bett erwartete. Trotz nassgeschwitzer Hemden und Heimfahrt bei heftigem Gewitter in strömendem Regen war es ein sehr angenehmer Abend, wie man ihn von Miklin erwartet und von feinem Jazz gewohnt ist.  Also bitte weitermachen, meine Herren.

Anti-House 4

Sa., 12. Mai 2018, Beginn: 20:30

ANTI-HOUSE 4  (US)

Ingrid Laubrock – tenor sax
Mary Halvorson – guitar
Kris Davis – piano
Tom Rainey – drums

 

Ingrid Laubrock’s ANTI-HOUSE

Mit der Band Anti-House hat die Saxophonistin Ingrid Laubrock einst wohl so etwas wie ihre Dreamband entdeckt, finden sich darin doch lauter prominente Musiker, die heute – zumindest im Fall der einzigartigen Gitarristin Mary Halvorson und der Pianistin Kris Davis – als die Shootingstars einer neuen, von Brooklyn aus operierenden kreativen Jazz-Szene gehandelt werden.

Laubrocks Musik ist in den vergangenen Jahren geradewegs exponentiell gewachsen, aber es gibt noch immer Passagen bei Anti-House, die stark mit ihrem Album Forensic aus dem Jahr 2004 in Resonanz treten, ein Album, das bereits ihr Erscheinen als originelle Solistin und profunde Bandleaderin ankündigte.

Die Grooves von Anti-House sind zersplitterter und flüchtiger und bewegen sich vornehmlich auf einer abstrakten Ebene.

Laubrocks Saxophon-Klänge haben in der selbstbewussten Band Anti-House an Frische und Abgeklärtheit gewiss gewonnen und sind nicht mehr allein dem Experiment verpflichtet. Nur wenige Saxophonisten besitzen das enzyklopädische Vokabular von Laubrock, und noch weniger können sich darin mit solcher Leichtigkeit oder Eloquenz bewegen.

Laubrocks Quartet Anti-House ist in dieser Luxusbesetzung ein Wasserfall von rauschender abstrakter Schönheit, bisweilen sogar ziemlich wild.

Otmar Klammer

THE Big BASE Band

The Base versus Jazz Orchester Steiermark

Mit Norbert Wally bin ich schon seit Jahren befreundet, dennoch war ich skeptisch, als er mir von der Kooperation seiner Band, THE BASE , mit der Big Band von Sigi Feigl erzählte. Nachdem ich in der Generalmusikdirektion die 20 Mann (nein, 19 Männer + 1 Dame) gesehen und gehört habe, bin ich jedoch absolut überzeugt vom Erfolg dieser Fusion.

Der Einsatz von Bläsern war den Indie-Rockern nicht fremd, gibt es doch in zahlreichen Stücken der Band Trompete und Posaune von Imre Lichtenberger Bozoki. Ein Vielfaches an Bläsern mit Rhythmusgruppe Keyboard und Bass, neu arrangiert und notiert, ergab einen rundum perfekten Klangkörper, der sich behutsam Wallys Gitarren und seiner einzigartigen Stimme fügte.

Und dann waren da auch noch  die Solisten, die ich teilweise als Berndt Luefs Musiker kannte, allen voran der großartige Patrick Dunst. Dass sich ein Jazz Orchester so gut von sanften Balladen bis zu heftigsten Dreschern mit Rock verbinden konnte, war ein geniales Hörerlebnis.

Die allseits bekannten Hits der Band waren gut gewählt, vom ältesten Song über seine fortlaufend nummerierten Girlfriends zu „Malibu Stacy“, „Buffalo People“ (16 Songs in Self Defense) und meinem persönlichen Favorit „I Bet It Rains“ (Where Is My Weather) bis zum gesuchten VJ aus dem Disco Bazaar und weiteren wohlfeilen Tunes. „The Rats“ (Secret Second Thoughts) bildeten den passenden Abschluss, denn auch nach zwei Stunden wollte noch keiner das Schiff verlassen.

Die beiden Auftritte wurden mitgeschnitten um daraus ein Live Album zu produzieren. Eine großartige Idee für jene, die nicht dabei sein konnten. Kauft  ein Stück Musikgeschichte, das nur noch von Sigi Feigls Hilfsbereitschaft übertroffen wurde, als er mir eigenhändig (und ohne mich zu kennen) seinen Bürosessel holte, als klar wurde, dass ich mich mit meinen Rückenschmerzen unbedingt hinsetzen musste, wenn ich das Konzert zur Gänze genießen wollte. So konnte ich  schmerzfrei zuhören. Danke, Sigi!

Holler My Dear im Orpheum Extra

Holler My Dear haben nun  nach drei Jahren ihr drittes Album im Orpheum Extra vorgestellt. Beim Launch ihrer zweiten CD Eat, Drink, and Be Merry in der „pangea musik lebt“ Reihe in der Postgarage waren sie mir aufgefallen. Ihre Musik  verweigerte Zuordnung  einer Schublade, also nahmen sie vier: Pop, Swing, Funk, Folk – ich hätte auch noch eine Priese Jazz hinzugefügt.

Steady As She Goes baut auf diese Fundamente, auch wenn der Titel eine ruhige Seefahrt suggeriert. Einen Titel zu wählen, der schon stark besetzt ist, etwa von Hot Tuna und den Raconteurs, ist mutig, abgesehen davon, dass keiner der 16 Tracks an einen Shanty erinnert und außer dem Titelsong und Memories und The Deep nichts mit dem Meer zu tun hat. Aber egal, man muss nicht alles verstehen.

Das Konzert hinterließ jedenfalls wieder eine sehr angenehme Hautsensation. Die sechs Musiker sind alle Perfektionisten, nicht nur am eigenen Instrument, sonder auch Reihum. Stephen Molchans (Trompete) war am Piano zu sehen, am Schlagzeug und sogar als Rapper. Apropos Rap: Laura Winkler, Spitzname „Laus“ hat auch gelegentlich eine schnellere Zunge, als ein Normalbürger zu denken vermag. Eine Herausforderung, will man mitsingen. Übrigens hat sich Lucas Dietrich vom U-Bass  getrennt, spielt aber immer noch eine kleinere Version eines E-Bass. Ist praktischer und klingt besser. Na dann.

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Holler My Dear: Steady As She Goes, Traumton Records, Berlin 2018

Mario Rom’s Interzone

Truth Is Simple To Consume

Allein diese Fotografie der drei distinguierten Gentlemen von Severin Koller macht eine Ankündigung ihrer CD-Präsentation im Stockwerk Jazz, Graz unabdingbar. Mit nur drei Tagen Vorlauf bis Mittwoch den 13. Dezember, 20 Uhr bleibt allerdings nicht viel Zeit, den vorweihnachtlichen Termin noch unterzubringen. Aber wenn Herr Klammer mit derartig schönen Worten bittet, davon Kunde zu tun, ist es ein Pflichttermin.

Das dritte Album

Mario Rom's Interzone CDDas Trio rund um den atemberaubend virtuosen Trompeter ist schon jetzt eine der erfolgreichsten Jazzbands, die das Land in den letzten Jahrzehnten hervorgebracht hat. Mittlerweile waren Mario Rom und die Seinen mit ihrer so unbekümmerten wie ungestümen Musik schon auf der halben Welt zugange. Gerade erst waren sie in Kanada, Marokko, Indien und in Admont, wo sie ihr neues – drittes – Album präsentiert haben.
Mit der surrealistisch witzigen, vierteiligen Online-Filmserie Everything Is Permitted, eingefangen zwischen Mexiko, New Orleans und Österreich, erregten Rom, Kranzelbinder und Pirker großes Aufsehen und haben damit schon vor ein paar Jahren ein kleines Stück europäische Musikgeschichte geschrieben. So etwas hatte man bislang noch nicht gesehen!

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Nun kommen die drei bärtigen Herren mit den ausgeflippten Ideen zur Präsentation ihres dritten Albums ins Stockwerk zurück.
Ein seltener Beweis, dass sich hot und cool oder free und retro nicht ausschließen müssen. Sie räumen alle stilistischen Wegweiser zur Seite, swingen, grooven, dampfen, nehmen abrupt Tempo aus der Bewegung, sie spielen, wie es ihnen die Energie gerade gebietet.

MARIO ROM´S INTERZONE (A) sind Mario Rom – trumpet, Lukas Kranzelbinder – bass und Herbert Pirker – drums

The Necks

Tonight at Orpheum Extra

(Pure Scenius) „This was selfless art, with the participants always servants of the musical thread… Australia’s inventors of acoustic, jazz-inflected minimalism, The Necks. Beforehand there seemed a danger of the Necks‘ unique and complete conception being ravaged by any interlopers. But Eno was astute enough to suggest musical contexts in which The Necks could do what they do – and arguably be the music’s linchpin – while being embellished with flawless empathy“
SYDNEY MORNING HERALD

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At the Orpheum Extra stage in Graz, all the way from Sydney, Australia | Photos Gerald Ganglbauer www.thenecks.com

Nick Cave

Nick Cave in der Stadthalle Wien | © El Nino

Ich kenne und schätze Nick Cave schon seit Jahrzehnten, als er mir in Wim Wenders Film „Himmel über Berlin“ aufgefallen war. Bald darauf lebte ich wie er in Australien, habe ihn aber zufällig nur ein einziges Mal bei einem Besuch in Wien live erlebt, wo ich als frischer Landsmann nach dem Konzert ein paar Worte mit ihm getauscht habe. Das war Anfang der 90er und er war „The Good Son“ und wir waren miteinander auf Augenhöhe verbunden.

Nick Cave in der Stadthalle Wien | © El Nino

Heute, 30 Jahre später, ist er ein Superstar und es war mir nicht möglich, ihn in Wien zu treffen und mit ihm über Parkinsong Duets zu reden. Sein Management hat ihm meine Mails wahrscheinlich nicht einmal weitergegeben, geschweige denn beantwortet. So ist das nun einmal mit Superstars. Deshalb war ich mehr als überrascht, wenige Tage nach seinem Auftritt in Wien in den Konzertmitschnitten eines Kollegen zu sehen, wie er sich völlg ohne Berührungsangst in der Menge badete. Für das Wiener Publikum muss das ein Erlebnis gewesen sein!

Nick Cave in der Stadthalle Wien | © El Nino

Danke, El Nino | raiRau7, dass du am 1. November 2017 mit der Kamera meine Augen und Ohren in der Stadthalle warst.

Nick Cave in der Stadthalle Wien | © El Nino

Wenn ich zuhause Nick Cave höre, sind das meist seine melancholischen Balladen mit den Bad Seeds, obwohl er mit seiner anderen Formation, Grinderman, auch heute noch ziemlichen Lärm machen kann.

„Skeleton Tree“, das aktuelle Album von Nick Cave & The Bad Seeds habe ich bereits vor einem Jahr in Gangway Music wie folgt vorgestellt.

Nick Cave und ich haben einiges gemeinsam: Wir sind gleich alt, lebten beide in Australien und lieben Musik und Literatur und das Internet. Ich habe ihn zwar nur einmal in Wien getroffen, aber ich weiß, dass wir beide auch die dunkle Seite der Welt kennen, wenn wir um einen geliebten Menschen trauern und das öffentlich tun. Ich in Büchern, er mit einem Album wie Skeleton Tree, Trauerarbeit für den Verlust seines Sohnes. Am 14. Juli 2015 verunglückte Arthur Cave tödlich, der 15-Jährige stürzte an Englands Südküste von einer Klippe.

Das Cover ist schwarz. Kein Design. Kein Verkaufsspin. Cave schenkt es einfach der Welt. Weltweiter Release über das Internet. Cave lässt die Welt teilhaben an seinem Verlust, aus dem die Welt wiederum wunderschöne traurige Lieder erfährt und die Bad Seeds den Ton wie immer auf den Punkt treffen.

Ich höre und liebe die Lieder von Nick Cave & The Bad Seeds nun schon seit 1983, also seit der Bandgründung mit Blixa Bargeld in Berlin, dann dem „Himmel über Berlin“ (Wings of Desire), das sind bereits einige Jahrzehnte, „The Ship Song“ ist immer noch einer meiner Alltime-Favorites. Das gegenwärtige Album ist jedoch das dunkelste: „When you feel like a lover, nothing really matters, when the one you love is gone.“ (I Need you) hat mich zu Tränen gerührt.

Und da ist auch noch „One More Time With Feeling“ ein zweistündiger, in Schwarz-Weiß gedrehter Film. Auch darin Trauerarbeit. Die Kameras zeigen ihn bei der Studioarbeit, in die Aufnahmen sind Interviewszenen hineingeschnitten, in denen Cave über den Sinn des Lebens und den Tod reflektiert. Den Film habe ich noch nicht gesehen und will ihn vielleicht auch gar nicht sehen. Die Musik berührt mich tief genug und die Worte, sagt Nick Cave, sind mächtig. Dem kann ich nur zustimmen.

Nick Cave & The Bad Seeds | „I Need You“ 2016

Nick Cave & the Bad Seeds’ sixteenth studio album, Skeleton Tree, is out now on vinyl, CD and across all digital platforms.

Happy Birthday, Harri

60 Jahre Harri Stojka

Seine Finger greifen auch mit 60 noch unfassbar schnell die Saiten am Hals seiner Gitarre, die der Virtuose aus Wien, Floridsdorf, Träger des Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich, im Lauf seines Lebens in einem sehr breiten musikalischen Spektrum eingesetzt hat, etwa in der eigenen Band, dem Harri Stojka Express, an den ich mich noch gut erinnere, da wir etwa im gleichen Alter sind (OT: Wie es mir mit 60 geht? Früher freute ich mich aufs Fortgehen, jetzt ist es aufs Heimkommen.) aber auch mit Gipsy-Weltmusik und Rockstars wie Peter Wolf und Frank Zappa bis hin zu Musikern aus dem indischen Rahjastan, wo er auf der Suche nach seinen Wurzeln war.

Harri Stojka (* 22. Juli 1957 in Wien) ist ein österreichischer Gitarrist, Komponist, Arrangeur, Bandleader und Sänger, der als einer der bedeutendsten österreichischen Jazz-Musiker der Gegenwart gilt. „Harri“ entstammt der Lovara-Roma-Dynastie vom Stamm der Bagareschtschi und zählt zu den bekanntesten Roma Österreichs. Sein weltmusikalisch geprägter Musikstil wird auch „Gipsysoul“ genannt. Daneben spielt er mit Erfolg auch swingorientierte Musik, weiß das Lexikon.

 

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Auf seiner Birthday Concert Tour lässt er sich in der Generalmusikdirektion Graz, dann dem Kulturzentrum Kremsmünster, dem Treibhaus in Innsbruck und schließlich im Wiener Konzerthaus mit guten Freunden aus vielen Jahren feiern. Other Doors nennt sich seine jüngste Formation mit Claudius Jelinek, Gitarre, Alex Deutsch, Schlagzeug und Peter Strutzenberger, Bass. Im Roma Musik Enseble erweitert sich die Besetzung um Geri Schuller, Keyboard, Saška Janković, Gesang, Andi Steirer, Percussion, und Herbert Berger, Klarinette, und jm India Express mit Kutle Khan, Gafur Khan und Aditya Bhasin, Maultrommel, Tarang, Tabla, Gesang.

Das Publikum in Graz, großteils ebenso 60 oder darüber, war hellauf begeistert, lauschte, klatschte, sang „Happy Birthday, dear Harri“ und tanzte zur zweiten Draufgabe, einem zwar betagten aber immer noch swingenden Tune aus seinem neuesten Projekt, Harri Stojka goes Beatles.

Seine offizielle Website: www.harristojka.at

Stockwerk Jazz

Liebe Damen und Herren,

was sollen wir sagen? Österreich hat gewählt.
Ohrenmäßig könnte das Ergebnis für ein Musikland wie Österreich ja Symbolcharakter haben. Dreimal größere Ohren als der vermeintlich neue Bundeskanzler haben jedoch die Herren Ray Anderson, Mark Helias und Gerry Hemingway (jeder für sich, nicht zusammen!). Zwar hören die drei prominenten Jazzmusiker damit nicht das Gras wachsen, sondern jene charismatischen Töne, die ihre Kollegen auch zwischen den Noten spielen.
Ähnliches gilt für die Worte des japanischen Haiku-Meisters Kobayashi Issa, magische Worte, denen sich das Duo Gasser/Masaria in unserem zweiten Konzert in dieser Woche widmet.

Mit Dank und lieben Grüßen,
Ihr Stockwerk-Wort zum Wahlsonntag
Otmar Klammer

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Stockwerk, Jakominiplatz 18, A – 8010 Graz, phone: +43 (0) 676 31 59 551, www.stockwerkjazz.mur.at

Do., 19. Oktober 2017, 20:00 Uhr

BASSDRUMBONE (US)

Ray Anderson – trombone
Mark Helios – bass
Gerry Hemingway – drums

BassDrumBone ist nicht allein eine Institution in der jüngeren Jazzgeschichte, sondern geradewegs ein Indikator. In rund vierzig Jahren gelang es dem Trio stets, formale Schärfe, thematische Wendigkeit und organischen Flow auf einer bezwingenden Spur des kreativen zeitgenössischen Jazz zu halten.
BassDrumBone ist ein Trio, das die Ungleichheit seiner Instrumentierung der einzigartigen Persönlichkeit seiner drei Mitglieder angetraut hat. Im Trio wachsen die drei US-Haudegen weit über die herkömmliche Praxis des Improvisierens hinaus. Ein wahres Kollektiv, dessen Musik drei verschiedene kompositorische und improvisatorische Ansätze zu einem außergewöhnlichen musikalischen Rapport vereint.
Im Herbst 1977 begannen Mark Helias, Gerry Hemingway und Ray Anderson als Trio zu spielen. Ihre erste Platte „Oahspe“ wurde 1979 auf Auricle Records veröffentlicht, jenem Plattenlabel, auf dem sich BassDrumBone nun mit dem großartigen Doppelalbum The Long Road in der internationalen Szene zurückgemeldet hat (inklusive den Gästen Jason Moran und Joe Lovano). Furchtlos schön.

Fr., 20. Oktober 2017, 20:00 Uhr

CLEMENTINE GASSER & ANDREA MASSARIA (CH / I)

Haiku Music
CD-Präsentation

Clementine Gasser – 5-string cello
Andrea Massaria – guitar

So soll es sein. Von Noten, Punkt und Beistrich genug, konvertierte Andrea Massaria, der sich als klassischer Gitarrist auf Villa Lobos und Bach spezialisiert hat, einst nach einem Konzert von Barney Kessel zum Jazz. Eine Entscheidung, der wir unter anderem die CD Corindilindoli mit dem Posaunisten Giancarlo Schiaffini zu verdanken haben.
Der Triestiner und die in Luzern geborene Cellistin Clementine Gasser, deren internationale Konzerttätigkeit im Bereich zeitgenössischer improvisierter Musik sie auch schon mehrfach ins Stockwerk führte (u.a. mit dem Saxophonisten Mikołaj Trzaska), haben nun jeweils sechs Haikus des japanischen Haiku-Meisters Kobayashi Issa (1763 – 1828) ausgewählt und anhand grafischer Partituren aufbereitet.
Wenn man weiß, dass Konkretheit und der Bezug auf die Gegenwart unverzichtbarer Bestandteil eines Haiku sind, kann das ja nur spannend werden. Die CD The Spring of My Life (Amirani Records) ist vorsichtshalber schon einmal nach Issas Hauptwerk benannt.

Foto: BassDrumBone (vl.: Mark Helias, Gerry Hemingway, Ray Anderson)

Jazz Festival Leibnitz 2017

Jazz & Wein

Eins der Highlights im heimischen Kulturleben ist das alljährlich wiederkehrende Jazz & Wein im südsteirischen Leibnitz. Otmar Klammer tischte internationalen Ohrenschmaus auf, die Sausaler Weinbauern verwöhnten mit ihrer Jahrgangspräsentation, und Werner Schandor präsentierte die zweite Auflage seines im Falter Verlag erschienenen Reiseführers.

Donnerstag, 28. September, wurde das Festival um 19 Uhr nach im Normbereich liegenden Ansprachen mit dem Tori Freestone Trio (GB)Tori Freestone [Bild oben] Tenorsaxophon, Dave Manington, Bass und Tim Giles, Schlagzeug – im Weinkeller Schloss Seggau eröffnet und endete am Sonntag, 1. Oktober, beim Brunch um 11 Uhr im Weingartenhotel Harkamp mit Die Enttäuschung (D)Axel Dörner, Trompete, Rudi Mahall, Bassklarinette/Bariton Saxophon, Jan Roder, Bass und Michael Griener, Schlagzeug. Dazwischen fanden wie im Vorjahr die Jazzkonzerte im Kulturzentrum Leibnitz statt. Neu war heuer ein Gig für Nachteulen am Freitag um 23 Uhr mit Café Drechsler (AT)Uli Drechsler, Tenorsaxophon, Alex Deutsch, Schlagzeug/Bass und Oliver Steger, Bass – im Marenzikeller Leibnitz.

Es gab eine Hotel-Package, bzw. ein Shuttle-Service nach Graz für diejenigen, die nicht wie ich über Nacht in Leibnitz blieben weil sie das Privileg eines Backstage-Pass hatten. So fühlte sich der Kulturjournalist wie in einer Familie aus Kollegen, z.B. Andreas Felber von Ö1, Gabi Sailer, Christoph Giese und Julian Schoenfeld, Musikern, Roadies und einer ganzen Menge anderer Helfer, mit denen es hinter den Kulissen zu vielen guten Gesprächen und neuen Freundschaften kam.

Ich unterhielt mich gerne mit der britischen Saxophonistin Tori Freestone (die ich als einzige Frau dieses Festivals scherzhaft Lisa Simpson nannte, was sie sehr amüsierte) und Cyril Atef, dem innovativen Drummer beim Yves Robert Trio. Mit Stevie Bernstein, Trompete, und Tony Scherr, dem trockenen Bassisten vom Sexmob frühstückte ich im Café Deli, mit Jan Roder, Bass der Berliner Band Die Enttäuschung, trank ich Backstage und Axel Deutsch, den energiegeladenen Schlagzeuger des  Café Drechsler traf ich natürlich auch beim Frühstück im Café Deli.

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Die verbleibende Freizeit verbrachte ich mit der Jazzfotografin Ulla C. Binder, deren Bilder im Kulturzentrum ausgestellt waren und die im Rahmenprogramm des Festivals einen Workshop für Jazzfotografie im Retzhof machte, bei dem ich gleich assistieren durfte. Dabei hatte ich meine  Canon Spiegelreflexkamera samt Objektiven vor zwei Jahren verschenkt und knipse seither nur noch mit dem iPhone und einer kleinen IXUS, was zum Bloggen (siehe oben) eigentlich ausreicht.

Abschliessen möchte ich meinen Bericht mit zwei CD Empfehlungen: Das neue Album des Tori Freestone Trios: El Barranco, das im Weinkeller live zu hören war und die neue CD des Café Drechsler: and now…boogie!, die gesprochene Worte enthält, die man beim Abtanzen im Klub nicht hörte. Muss man haben!

See you at the next Leibnitz Jazz Festival in 2018.