30 Jahre Gangan Verlag

Am 14. Jänner 2015 feierte der Gangan Verlag 30 Jahre seines Bestehens im Literaturhaus Graz. Gerhard Melzer begrüßte, Gerhard Fuchs führte ein, Gerald Ganglbauer las aus seinem Buch “Ich bin eine Reise” , The Base spielte feine Musik und der Buchautor sang mit. Anschließend wurde den preisgekrönten Weinen vom Vinothek Verlag zugesprochen und das gelungene Fest klang im Thomawirt erst weit nach Mitternacht aus.

Gerhard Fuchs
Beginnen, Bewegen, Verändern.
Gerald Ganglbauers Reise.

Eine kurze Einleitung. Der Versuch, Ihnen Horst Gerald Ganglbauer vorzustellen. Kennt man den? Noch, wieder? Vielleicht eher die Älteren, die sich erinnern. Die Älteren, so wie ich. Denn weg war er lang, aus Graz seit 1986, aus Österreich seit 1989. Und seit 2013 ist er wieder da, in seinem Haus da draußen, nördlich von Andritz, jenem Bezirk, von dem aus er aufgebrochen ist, in vielerlei Hinsicht.

Also wie beginnen? Ich beginne damit, den Autor, Buchmacher und Reisenden vorzustellen, indem er sich selbst vorstellt. Programmatisch nämlich, mit einem seiner Gedichte. Auch wenn der Verleger und Zeitschriftenherausgeber damals bald und heute erst recht nichts von seinen eigenen literarischen Texten wissen will – dennoch:

“beginnen”

aufhören
das vierblättrige kleeblatt
in der wiese zu suchen
da das glück
neben einem liegt.

aufhören
einem “ichweißnichtwas”
nachzulaufen
da eine offene hand
nur zu ergreifen ist

aufhören
das verdammte wort
“aufhören”
überhaupt zu denken
denn überall steht “beginn”

Das Gedicht “beginnen” stammt aus der Nummer 8 der in Bad Ischl als Schülerzeitschrift gegründeten und in Graz neu ausgerichteten “Perspektive”, einer Zeitschrift, die in der Steiermark als Periodikums-Dauerbrenner neben den “manuskripten”, den “Lichtungen” und dem “sterz” über Jahrzehnte Wegmarkierungen setzte. Diese Nummer 8 wurde im Sommer 1982 zusammengestellt und Gerald Ganglbauer blieb für drei Nummern federführend. Damals war der 24-Jährige TU-Student der Verfahrenstechnik mit einer Menge Tagesfreizeit, wie man so sagt, drauf und dran, jene Frau zu heiraten, die er bei einer/seiner Lesung im Forum Stadtpark kennen gelernt hatte: Petra Ganglbauer nämlich. Ein Beginn also, ebenso wie der von ihm mitgetragene Neustart der “Perspektive”. Das Neue lässt sich meist nur beginnen, wenn das Alte zu Ende ist. Nach drei Nummern Perspektive daher ein Mitarbeitsende und ab 1984 die neue Karriere als Verleger mit dem “gangan”-Verlag: das althochdeutsche gangan heißt bewegen, entwickeln, verändern, ein Verlagsmotto, ein Lebensmotto. Ein Neugieriger, der sich ständig neu orientiert, wach bleibt, mit dem Preis allerdings, dass vieles zu Ende geht, damit es dem Neuen Platz machen kann. Ab 1984 sechs Jahrbücher mit zuerst essayistisch-kulturkritischen, dann auch i.e.S. literarischen Beiträgen mit unterschiedlichen Herausgebern, 1989 das letzte mit den Editoren Franz Josef Czernin und Ferdinand Schmatz, wobei diese beiden Namen gleich als Fingerzeig für Ganglbauers literarische Geschmacksbildung gelten können: sprachbewusste, teilweise experimentelle Literatur, schwere Kost sozusagen, weitgehend unverkäuflich, kein Massenprodukt.

Bis 1994 gibt es 22 “gangan”-Publikationen in Print-Form, Autoren sind im Lauf der Jahre neben der seit 1986 zur Ex-Ehefrau mutierten, aber bis heute freundschaftlich verbundenen Petra, ein Peter, Pessl nämlich, der sich auch als Lektor für die diese Bewegung einsetzt, Mike Markart, Reinhold Aumaier, Magdalena Sadlon, Marc Adrian und noch ein – höchst talentierter und formbewusster – Peter, der sich leider wie viele aus jener Grazer Literatengeneration per Alkohol selbst zerstört hat: Peter “Pjotr” Köck, der noch kurz vor seinem Tod 1989 eine Werkausgabe bei “gangan” plante, von der dann bislang nur zwei Bände erschienen sind. Der Verleger jedenfalls ist nicht selbstmordgefährdet, auch nicht ökonomisch, er riskiert zwar auch sein eigenes Geld im Lauf dieser “gangan”-Jahre, bleibt aber der Realität so weit verbunden, dass er nicht in die pekuniäre Katastrophe abdriftet, er macht, er tut, er initiiert, er unterstützt, so lang eben, wie es irgendwie geht. Geld verdient er ab 1989 woanders, in Australien nämlich, wohin es ihn als Folge weiblicher Umgarnung mehr oder minder zufällig verschlägt. Dort ist er in kürzester Zeit Auslandsösterreicher und Eingebürgerter, organisiert Abenteuer-Trips für erlebnisgeile Touristen, verdient nicht schlecht als Graphiker und dann Webdesigner, stets einer der Ersten und im ökonomischen Konkurrenzkampf eine Nasenlänge voraus. Kein Geld bringt ihm “gangway” ein, ein Internet-Literaturmagazin, das bereits seit 1996 online ist, nunmehr in der 46. Ausgabe, ein Textacker mit österreichischen und australischen Literaturpflanzen, meist bunt gemischt, manchmal auch thematisch gebündelt, etwa zu Kulturhauptstadt Graz 2003.

Ein Hort der Kontinuität, Ganglbauer ist keiner, der in kürzester Zeit die Lust verliert und ununterbrochen zu neuen Ufern aufbrechen muss – eine merkwürdige Mixtur von Erprobtem und Verworfenem, das einen Neubeginn erfordert. Das Alsob und das Spiel, die Negierung der zwanghaften Realitätsfiktion sind der Antriebsmotor für die Reisen des Gerald Ganglbauer, die nicht nur Ortlosigkeit, Ortsveränderungen und Ortswechsel in einem räumlichen Sinn sind, sondern auch Neuentwürfe von Identitäten, eine Veränderungsbereitschaft, die die radikale Selbstnegation zumindest nicht ausschließt. Das Glück, das im Eingangsgedicht neben einem liegt, ist dabei immer ein konkretes, mit Personen, Situationen, Orten verbunden, keine abstrakt-philosophische Größe, der es an erfahrungsgesättigter Verwurzelung mangelt. Der Freude am Realen, an Frauen, am Meer, der Sonne, der Nacktheit, dem Sprechen und Zuwenden ist aber auch ihr Widerpart eingeschrieben: der Verlust, das Altern, die Krankheit, das Verstummen. 2006 wird Ganglbauer mit der Diagnose “Parkinson” konfrontiert, zwei Jahre später geht er als Fünfzigjähriger in Frühpension. Der Umgang mit der Krankheit ist letztendlich wiederum ein offensiver: Aktivitäten in der Parkinson Selbsthilfe Österreich und in New South Wales, Mitaufbau der österreichischen Parkinsonberatung, v.a. auch in der Online-Version.

Allerdings auch keine Mythisierungen und Selbststilisierungen: In Interviews und Texten thematisiert er die Zeiten der Depression, der Mutlosigkeit und Aussichtslosigkeit. Dennoch schon wieder ein Neubeginn: 2014 die Veröffentlichung des Lebensberichts “Ich bin eine Reise”, nach 20 Jahren wieder ein Print-Buch im Gangan-Verlag. Der Autor schneidet drei Textebenen mit unterschiedlichen Entstehungszeiten, welche die jeweiligen Bewusstseinshorizonte dokumentieren, ineinander: der träumerisch-romantische Maturant, der erfahrungssüchtige Mitdreißiger und der doch einigermaßen erfahrungsgesättigte Fünfzigjährige mit seinem Zentralthema “Parkinson” und einer ganz besonderen Liebesbeziehung in den letzten Jahren. Über den individuellen autobiographischen Horizont hinaus scheint mir Ganglbauers Lebengeschichte nicht untypisch für ein Generation von literaturinteressierten bis literaturbesessenen österreichischen Jugendlichen in der Post-68er-Ära, die die internationale Flower-Power-Bewegung, die sexuelle Revolution und den politischen Oppositionsgeist zu einer ganz individualistisch-anarchischen Existenzweise amalgamiert haben, die das Reise- und Aufbruchsmotiv zentral stellt, nie einer melancholischen Handlungs- und Tatenlosigkeit das Wort redet. Geredet wird schon, aber auf ein Gegenüber bezogen, mit Wünschen und einem Sich-selbst-Aussetzen verbunden, geschrieben, veröffentlicht und verlegt wird auch, aber nicht im Sinn des Zurschaustellens des fertigen Produkts, sondern innerhalb eines Prozesses, stets auf der Reise, innen wie außen. Festlegungen sind zu vermeiden: ein wenig Andritz überallhin, nunmehr ein bisschen Sydney nach Stattegg. Die Chimäre des vierblättrigen Kleeblatts mag die ständige Suche antreiben, dieser Reisende findet aber auch, hier, gleich neben sich, die offene Hand, die es zu ergreifen gilt, auch wenn sie wieder los lässt, die eigene oder die andere. Die versteinerten Verhältnisse zum Tanzen zu bringen, Kunst und Leben ineinander überzuführen, sich am Pathos des Futurs aufzurichten waren Eckpfeiler einer nicht zuletzt romantischen Existenzform, die in einer durchökonomisierten Welt kaum noch zu realisieren ist.

http://cba.fro.at/275022/embed?

In einem Interview mit Barbara Belic erinnert sich Ganglbauer an Weltreisen mit dem Flugzeug vor 9/11, als stand-by Spontanflüge und Gelage in der Maschine bei Überseeflügen noch möglich waren. Das hat aufgehört, wie so vieles andere nicht mehr möglich ist, öffentlich wie privat, und die Ortlosigkeit des Webnomaden den seinerzeitigen realen Neubeginn als virtuelles Glücksversprechen inszeniert, das in der Täuschung ohne Enttäuschung auskommt. Die Reisen des Gerald Ganglbauer sind demgegenüber schmerzende Sisyphos-Unternehmungen mit Beulen und blauen Flecken, die das “verdammte wort aufhören” im Denken negieren, um es im und am Körper umso mehr als Begrenzung zu verspüren. Solche Akte der ehrlichen Selbstentblößung sind der Literatur eigen, aber auch der dokumentarischen Schilderung, wenn sie am Ich ansetzt. Zurechtgeschneidert und der pragmatischen Rezeptionssteuerung angepasst sind beide Artikulationsformen; als Erinnerung beginnen sie etwas, was eigentlich schon vorbei ist und übernehmen so Gewähr für das Andauern des Vergangenen. Nach all den äußerlichen Reisen ist jemand noch lange nicht angekommen; wenn er sich im Inneren seines Wegseins versichert, ist er angekommen, indem er fortgeht.

Gerhard Fuchs
Literatur h aus Graz, 15. Jänner 2015

Nova-Spa, Graz

Eine Wellness-Landschaft in Graz, die ich persönlich empfehle.

Das Nova-Spa (7,1 km von meiner Haustür) gibt es noch nicht so lange. Es gehört zum Novapark-Hotel in Graz-Gösting, im Norden der Stadt. Hier findet man im Freien über den Dächern von Graz eine Blocksauna und zwei Whirlpools, eine Dachterrasse mit strohgedeckten Betten und Liegen mit Blick auf den Schlossberg (perfekt um Silvester im Bademantel zu feiern), sowie unter Dach einen Pool mit Gegenstromanlage, einen dritten Whirlpool, ein kaltes Tauchbecken, Kneipp-Becken, sowie alles, was das verschwitzte Herz begehrt: finnische Aufguss-Sauna, Kräuter-Sauna, Sole-Dampfbad und Infrarot-Sauna. Es gibt Ruheräume mit Polstermöbeln sowie auch Zimmer, Massagen und Solarium. Alles hygienisch sauber, gepflegt von emsigen Damen. Für den kleinen Hunger gibt es Tagessuppe, Gulaschsuppe, Frankfurter, Toast und eine frische Salatbar, sowie Speisen à-la-carte vom Hotelrestaurant. Trinkwasser und Tee stehen kostenlos zur Verfügung.

Helmut Neukam

Geleitet wir das Nova-Spa (SPA – sanus per aquam, gesund durch Wasser) von Helmut Neukam (01.03.1949), der das Hotel gebaut hat, jetzt zwar im Ruhestand ist, aber täglich seine Runden dreht, sich mit Gästen im Sprudel unterhält, es sich nicht nehmen lässt, die Spezialaufgüsse (Früchte, Salz und Honig) selbst durchzuführen und der auch sonst sehr umgänglich ist. Im Sommer grillt er am Dach, zur Herbstzeit gibt es Maroni und Sturm. Seine Crew ist genauso freundlich. Silvester wird in der Sauna gefeiert und andere Events gibt es auch. Der Gangan Verlag wird 2014 “Buchstaben-Aufgüsse” (Lesungen im “Short-Story-Spa”) machen. Die Einrichtung ist geschmackvoll, es gibt freies WLAN und die Beschilderung ist englisch/deutsch und informativ, nicht schulmeisterlich.

Das Publikum ist bunt gemischt, aus Graz und Graz-Umgebung einerseits; internationalen Hotelgästen andererseits. Auch hier gibt es Sauna-Runden und Stammgäste wie den „Schamanen“ Martin, der hin und wieder seine Klangschalen und Gongs mitbringt und bei dem nicht applaudiert werden darf, oder den „Eisenbahner-Helmut“, der am Dienstag aufgießt und dabei gerne daran erinnert, dass die Aufgüsse hier eine Zeit der stillen Meditation sind. Nun, manchmal kommt es schon zu einer leisen Unterhaltung, aber dann erfolgen gleich Rufe nach Ruhe aus den Reihen der Gäste. Grundsätzlich ist Stille durchaus angebracht, weil sie zur Entspannung beiträgt, aber man muss sie nicht immer militant umsetzen, denn ab und zu soll es auch einen kleinen Tratsch geben können. Nur derbe Sauna-Witze werden nicht so gerne gehört wie in anderen Etablissements.

Im Nova-Spa wird immer etwas geboten: Täglich gibt es einen Frucht-Aufguss als Vitamin-Booster (dazu werden Früchte der Saison herumgereicht), einen Salz-Aufguss, der die Poren öffnet (man reibt sich zwischen den Aufgüssen mit Meersalz ein) und einen Honig-Aufguss, der der Haut Nährstoffe zuführt und die Poren wieder schließt (man bekommt echten Bienenhonig für die Haut und danach einen Schluck Honigwein). Der Wechsel von Hitze, Wärme und Kälte, die massierenden Sprudeldüsen unter Wasser, sowie die angenehme Atmosphäre in den Ruheräumen tun den Gästen ausgesprochen gut. Noch ein Vorteil: Es gibt keinen Ruhetag und viele gehen auch im Sommer gerne hin, weil es dort eine sonnige Dachterrasse und sogar echten Rasen am Dach gibt. Und bevor ich es zu erwähnen vergesse, parken ist für Gäste nun auch gratis.

Ursprung, am 31. Oktober 2013

Saunakultur

Nach Österreich kam die Sauna aus Finnland, aber es gab sie auch in anderen Teilen der Welt: russische Banja, indianisches Schwitzzelt, türkisches Dampfbad oder koreanisches Badehaus. Die Unterschiede in der Saunakultur sind allerdings enorm. Ich persönlich liebe Entspannung und sauniere schon 35 Jahre lang. Und obwohl ich daheim eine eigene Sauna im Keller habe, besuche ich Wellnessoasen, weil sie – abgesehen vom größeren Angebot – auch etwas Soziales bieten: die „Sauna-Runde“.

Naked Ambition. Meine persönliche Empfehlung für Körper und Geist. | © Nora Devai 2005

Eine Sauna (Plural Saunen/Saunas; finnisch sauna; auch Schwitzstube oder finnisches Bad genannt) ist ein auf eine hohe Temperatur erwärmter Raum oder eine Raumgruppe, worin ein Schwitzbad genommen wird. Eine Saunaanstalt ist häufig an eine öffentliche Schwimmhalle oder ein Fitnessstudio angeschlossen und kann mit anderen Einrichtungen wie Dampfbädern oder einem Warmluftbad kombiniert sein.

Definition in: Wikipedia

Ich liebe die Sauna. In letzter Zeit habe ich sporadisch immer wieder verschiedene Saunalandschaften besucht, wie das Ultimo Aquatic Centre in Sydney, das River Island Nature Retreat in New South Wales, das Asia-Spa in Leoben, die Wellnessoase in Gratkorn, die Heiltherme in Bad Waltersdorf, die Auster in Graz-Eggenberg, um nur einige zu nennen. Regelmäßiger Gast war ich im Kawailani in Schrauding, solange sie noch von Heidi Fruhmann geleitet wurde, und bin ich nun in der Nova-Spa in Graz-Gösting, wo wir 2014 Buchstaben-Aufgüsse (Lesungen in der “Short-Story-Spa”) machen werden. Was ich grundsätzlich beobachtet habe, ist, dass ein Großteil der Saunagäste – wie heutzutage auch in FKK-Klubs – offensichtlich Herren im Pensionsalter sind. Die Jugend ist viel prüder geworden als wir das waren und hat das nackte Vergnügen noch nicht für sich entdeckt.

Dass regelmäßiges Saunieren der Gesundheit und der Seele gut tut, ist bekannt. Die nicht unmaßgebliche soziale Komponente eines Sauna-Besuches habe ich bereits erwähnt. Man trifft seine Sauna-Runde regelmäßig am selben Wochentag. In den letzten Jahren war ich mit meiner Partnerin beispielsweise jeden Samstag im Kawailani. Zu Mittag hin, bei Badeschluss (22 Uhr) nachhause. Dort trifft man dieselben Leute; Paare, Singles, Mütter mit Töchtern, kleine Gruppen von Freunden. Man ist per du und kennt oft auch nur den Vornamen, wechselt ein paar Worte, fühlt sich in der „gated community“ geborgen, gerade wenn man nackt ist. Angezogen auf der Straße würde man sich nicht erkennen, scherzt man. Man setzt sich im Whirlpool zusammen, plaudert, spielt Karten. Es ist allerdings selten, dass sich oberflächliche Sauna-Freundschaften über den Zaun hinaus fortsetzen, mit der Ausnahme von Bekanntschaften die eine Herzensangelegenheit werden, was splitternackt natürlich ebenso passieren kann wie andernorts in Kleidern.

Nacktheit ist für Naturisten bzw. Menschen, denen Freikörperkultur vertraut ist, nichts Anstößiges, Schamvolles oder Verletzliches. Sie benehmen sich nackt in Gesellschaft ebenso sicher wie in Kleidern. Im Lauf der Zeit bilden sich zu den gesundheitlichen Sauna-Regeln nämlich auch soziale Gesetze heran, die unbewusst von allen befolgt werden. Hausverstand und Respekt sollten bei den meisten Menschen ausreichen, um sich ordentlich zu benehmen. Zuwiderhandelnde Gäste können vom Saunabetreiber diskret Hausverbot erhalten, wobei man leider auch unschuldig zum Handkuss kommen kann, wenn eine Person aus persönlichen Motiven denunziert

Wie benimmt man sich in unbekleideter Umgebung? Neulinge brauchen vielleicht einige Zeit, bis sie sich daran gewöhnen, dass sie von „nackten Fremden“ in ein ganz normales Gespräch vertieft werden. Wenn man selbst Single ist, kann man durchaus jemanden kennen lernen. Man muss aber vorsichtig und rücksichtsvoll auf den anderen eingehen, sonst könnte die Unterhaltung vom Frischling als aufdringlich empfunden werden. Manche Gäste gehen sogar mit der Absicht in eine Sauna, jemanden kennen zu lernen (schließlich gibt es dort keine „Katze im Sack“), manch andere wollen nur relaxen und dabei nicht gestört werden. Da gilt es sensibel zu sein, denn man wird natürlich beobachtet und exzessives Flirten kann einen schon in Verruf bringen. Sexuelle Belästigung ist absolut unerwünscht. Swinger sind es ebenso. Die finden sich ohnedies in Club-Saunas.

Aber wie ist das mit normalen sozialen Kontakten? Ganz einfach. Man unterhält sich ungezwungen, sieht sich dabei in die Augen. Natürlich registriert man auch den Rest des Körpers, ohne ihn jedoch mit erotischen Gedanken in Verbindung zu bringen. Es ist einem „Textiler“ schwer zu erklären, dass einen ein nackter Busen nicht erregt, wenn es nicht derjenige der Partnerin ist, den man mit völlig anderen Augen sieht. Ob FKK oder Sauna, Nacktheit wird eine Lebensphilosophie. Man möchte nach einigen Jahren gelebter Freiheit gar nicht mehr angezogenen nass oder braun werden und bemitleidet bekleidete Badegäste.

Leider gibt es keine finnische Saunakultur im anglo-sächsischen Raum. Das liegt wohl an der strengen Queen Victoria. Und wenn es doch Nacktheit in Fitness- oder Wellness-Bereich gibt, ist sie – zumindest in Sydney – meist Treffpunkt der Gay Community.

Wenn man hingegen das Umfeld einmal gewohnt ist, wird es völlig natürlich, schwitzend und schwimmend und sonnenbadend absolut nichts am Körper zu tragen. Nasse Kleider auf der Haut zu tragen wird zu einer unangenehmen Vorstellung. Ich persönlich verstehe nicht, wieso man in Sydney bekleidet sauniert. Vor einigen Jahren beim Bau des neuen Aquatic Centres in Ultimo, das immerhin der österreichische Architekt Harry Seidler entworfen hat, war es mir unmöglich, der Stadt begreiflich zu machen, dass man den Saunabereich nicht mit Glastüren neben das 50-Meter-Becken baut, sondern in einem getrennten Stockwerk wie in meinem Beispiel Amalienbad – Hallenbad der Stadt Wien.

Ursprung, am 31. Okber 2013

Gerald Ganglbauer – Schreiben am Netz

Die Büchersendung aus Innsbruck kam mit einem gelben Kleber über der Verschlußlasche zu meiner PO Box in Strawberry Hills: “Von der Australischen Post zur Kontrolle der Quarantäne geöffnet.” Seit dem 11. September 2001 wird nun auch ‘Snail Mail’ auf Viren geprüft. Beruhigend oder seltsam – jedenfalls aber eine interessante Beobachtung, wenn eine Neuerscheinung ankommt, die sich die Frage stellt: “Welche Bedingungen erwartet die Literatur im digitalen Zeitalter?”

Ganglbauer über Johannes Fehr, Walter Grond (Hrsg.)
Schreiben am Netz. Literatur im digitalen Zeitalter.
Haymon Verlag, Innsbruck 2003

Literatur im digitalen Zeitalter

CoverDer Inhalt des Paketes: zwei schlichte weisse Bände im Schuber; mit zusammen rund 450 Seiten die Dokumentation eines Labor – Salon – Symposiums am Collegium Helveticum der ETH Zürich, sowie eine überarbeitete Chronik Walter Gronds, die in einer wöchentlichen NZZ-Kolumne veröffentlicht war. Grond, der seit dem Ausscheiden aus dem Grazer Forum Stadtpark in einem 400-Seelen-Dorf in Niederösterreich als Romancier und Essayist lebt, war von Fehr, dem stellvertretenden Leiter des Collegium Helveticum, im Frühjahr 2002 als ‘Writer in Residence’ nach Zürich geladen, “um gemeinsam mit anderen über das ‘Schreiben am Netz’ nachzudenken”.

Dieser literarische Salon im Internet versammelt einen Kreis, der dem Rezensenten (trotz fünfzehnjähriger Abwesenheit) real oder virtuell mehr oder weniger bekannt ist: Literaturwissenschafter, Autoren, Verleger, Kommunikationswissenschafter und Netzwerker von Susanne Berkenheger über Christian Eigner zu Klaus Zeyringer, um nur einige zu nennen. Der Rezensent hat ja, wie Grond, denselben Background: “Mitte der neunziger Jahre, als ich mit Dzevad Karahasan über Literatur zu diskutieren begann, rückten mit der Schaffung des World Wide Web die Kulturtechniken, die mit dem Computer verbunden sind, ins öffentliche Bewußtsein. […] Ich kommuniziere mit Menschen, nicht mit Maschinen. Und doch, die digitale Kommunikation bringt manches ins Wanken, was ich bisher für unzweifelhaft empfand.” Grond in: Die Chronik, S. 26-27.

Jene seit Jahren vertrauten Erfahrungen, die dem digitalen Zeitalter so eigen sind, bilden auch das Gerüst der Aufsätze, die eine interessante Dokumentation abgeben: “Wer viel Netzalltag erlebt, dem scheint nicht selten die Zumutung, die die Netzliteratur darstellt, die Zumutung des Netzalltages zu reflektieren. […] Der denkt: Ja genau, so ist es, das Leben im Netz – und er schaut in die Netzliteratur wie in einen Spiegel.” Berkenheger in: Das Symposium, S. 195-196. Andererseits: “Die Szene der digitalen Literatur und der Literaturbetrieb sind nach wie vor völlig getrennte Welten mit sehr wenigen Grenzgängern.” Beat Suter in: Das Symposium, S. 149. Alles in allem 24 Beiträge.

Und das Resümee? “Das Hinübergleiten – vom Labor und Salon im Internet zum Symposium in der Sternwarte zur Dokumentation im Buch – ist relativierendes Verfahren. Der Gewinn war vor allem Erfahrung. Konfusion auf einem höheren Level.” sagt Grond. Na ja, Fehr versichert: “Die im Rahmen von ‘Schreiben am Netz’ entstandenen Seiten bleiben zwar weiterhin über das Web zugänglich, aber in einer Form, in der nicht mehr daran weitergeschrieben werden kann: als Dokumentation und Archiv eines transdisziplinären Experiments”: http://www.collegium.ethz.ch/schreiben-am-netz/index.de.html

Für all jene, deren Alltag aus Schreiben besteht, ist ‘Schreiben am Netz’ wichtig, denn niemand kann sich dem Netz in unserem globalen Dorf heutzutage gänzlich entziehen.

Sydney, am 9. April 2003