Da tut sich was. Nur eine Hausnummer weiter, im Wohnprojekt unterm Steinbruch, sind Flüchtlingskinder eingezogen. Nein, natürlich nicht die Kinder selbst, sondern ihre Fotografien. Die in Graz lebende Kanadierin Jenny Chapman hat sie mitgebracht.
4 refugee camps 40 rolls of film featuring over 40 child photographers
Wie sieht die Welt in einem Flüchtlingslager in den Augen eines Kindes aus? Diese Frage will Jenny Chapman mit ihrem Projekt beantworten, in dem sie über 1.000 Bilder aus Kameras gesammelt hat, die sie in Lesbos, Griechenland und anderen Flüchtlingslagern, an 40 Kinder ausgeteilt hatte.
Die Kinder knipsten darauf los und eine Auswahl aus diesen Bildern zeigt sie in einer Fotoausstellung, die nach dem Afro-Asiatischen Institut nun bis 5. Mai in Stattegg zu sehen ist. Ich war bei der Eröffnung.
Berührend, was es da auf Augenhöhe der kleinen Fotografinnen und Fotografen zu sehen und entdecken gibt.
Wer es nicht nach Stattegg-Ursprung schafft (obwohl sich das gut mit einem Besuch bei mir verbinden ließe), kann auf Jennys Blog auch ONLINE eine Fotogalerie besuchen und im Blog all ihre Berichte nachlesen.
Die BIlder gibt es auch zu kaufen und 100% dieser Einnahmen (ebenso wie meine, sollte das Video auf YouTube Geld einspielen) gehen an das Projekt Only Beyond Myself.
23. April ist WELTTAG DES BUCHES und kunstGarten begeht ihn mit einer Literatur-Matinee
Die Autorin Marlen Schachinger (Foto: Wolfgang H. Wögerer, Wien) liest aus ihrem neuen und brandaktuellen Roman Martiniloben (5. Sep 2016, SEPTIME)
Mona will der kalten Anonymität, dem aggressiven Gegeneinander und dem permanenten Stress in der Stadt entfliehen. Sie zieht in ein Dorf an der Landesgrenze, wo sie sich Ruhe und ein solidarisches Miteinander erhofft. Fortan pendelt sie zwischen beiden Lebenswelten und stellt fest, dass diese sich im Innersten ähneln. Das Dorf entpuppt sich als ebensolche Hölle wie die Stadt – nur mit einer anderen Dynamik: Mikrokosmos einer Gesellschaft, deren Klima durch Unsicherheit und Ängste dominiert ist, die einen radikalen Egozentrismus und rechte Tendenzen hervorrufen. Der vermeintlich erstarkte Gemeinschaftssinn äußert sich in manipulativer Sozialkontrolle: Fremdes wird kritisch beäugt, kommentiert und im Zweifel – ausgeschlossen. Als Mona sich für die im Dorf untergebrachten Flüchtlinge einsetzt, erfährt sie Missgunst und Ausgrenzung am eigenen Leib.
Durch Gerüchte genährt und Hetze geschürt, kippt die Stimmung im Dorf in Übergriffigkeit. Zum Martiniloben, dem Fest des Jahres, dem großen ländlichen Sauf- und Fressgelage, eskaliert die Situation.
Karl-Markus Gauß schreibt: »Wie viele Autorinnen versammeln sich unter dem Pseudonym Marlen Schachinger? Ich schätze mindestens fünf. Die eine ist eine feministische Intellektuelle und Kämpferin erster Güte. Die zweite eine echte Stubengelehrte, die sich für so ziemlich alles interessiert. Die dritte gibt als fleißige und kollegiale Anthologistin einen Sammelband nach dem anderen heraus. Die vierte veröffentlicht Biografien, Sachbücher, Studien, Essays, Kurzgeschichten. Und die fünfte schreibt Romane, in denen sich alle fünf Frauen, die sich auf ihr gemeinsames Pseudonym geeinigt haben, regelmäßig treffen und bestens miteinander auskommen.«
Aus organisatorischen Gründen wird um Anmeldung bis zum Vorabend gebeten – unter kunstgarten@mur.at oder +43 316 262787. Bei Schönwetter und über 18° Celsius auf der Gartenbühne! Matinee Beginn 11:15.
Irmi Horn
Payer-Weyprecht-Str. 27
8020 Graz | Österreich
fon+fax +43(0)316 262787
Berndt LuefsJazztett Forum Graz ist ein fester Bestandteil der hiesigen Jazzszene, Luef selbst ein Urgestein. Wir kennen einander seit Jahrzehnten und ich habe schon einige Berichte in Gangway Music Reviews über seine Musik verfasst. Über die zehn hervorragenden Jazzmusiker, allesamt Profis mit eigenen Bands oder im Musikunterricht, braucht man nichts mehr zu sagen, auch deren Schrullen (wie barfuß auf der Bühne zu stehen) sind bekannt.
Für mich bislang unbekannt war Dorothea Jaburek, eine sehr sympathische kleine Frau mit großer Stimme, die ich auch deshalb erwähne, weil sie nach der Show meine Frage sofort spontan mit einem JA beantwortet hat, ob sie mit uns bei Parkinsong Duets mitsingen würde.
Hier eine Hörprobe, fünf Minuten Live Mitschnitt von gestern Abend, „Between the Walls“, von der gleichnamigen CD, den ich mit meiner nagelneuen ultrakleinen Canon IXUS 190 aufgenommen habe. Viel Vergnügen.
Dorothea Jaburek ist auf Facebook und hat eine ausführliche „hörbare“ Website – www.dorotheajaburek.com
Die renommierte Geigerin, Orchesterleiterin und Konzertmeisterin der Chicago Sinfonietta Renée Baker dirigiert das Styrian Improvisers Orchestra (STIO) zum Stummfilm A Page of Madness (1926, Teinosuke Kinugasa, japanischer Horrorfilm).
Renée Baker ist zur Zeit auch die Dirigentin des Aufsehen erregenden Chicago Modern Orchestra Project und seit langem Mitglied des weltbekannten Musikerkollektivs AACM (Association for the Advancement of Creative Musicians). Dabei spielte sie unter anderem mit Nicole Mitchell und George Lewis, im Great Black Music Ensemble und in Anthony Braxtons Creative Music Orchestra.
Das Styrian Improvisers Orchestra besteht bei variabler Besetzung aus 15 bis 25 Musikerinnen und Musikern der Grazer und Wiener Improvisationsszene. Unter den verschiedenen Dirigaten oszilliert das STIO zwischen Freiheit und Struktur, wobei sich virtuose Improvisationen und fragile Klanglandschaften abwechseln.
Do, 30. März 2017, 20:00 Uhr / STOCKWERK / Graz / Austria RENÉE BAKER & STYRIAN IMPROVISORS ORCHESTRA A Page of Madness
V:NM | Styrian Improvisers Orchestra | Josef Klammer
Dieses Jahr wurde es mir bewusst. Unsere Generation ist vom Aussterben bedroht, denn mehr und mehr Babyboomer lösen die Verbindung zum Mutterschiff Erde. Der biologische Zerfall ist angelaufen, unsere Wurzeln finden keinen nahrhaften Halt mehr im Boden. Meine Zeitgenossen wandern einer nach dem anderen ab ins Nirwana, oder wohin auch immer, wobei Himmel, Fegefeuer und Hölle schon grundsätzlich ausgeschlossen sind.
Im Jahr 2016 verstarben musikalische Legenden wie David Bowie, Leonard Cohen, Prince oder George Michael. Mit den Songs der ersteren konnte ich mich identifizieren, letztere waren gar nicht mein Geschmack. Aber die wahre Erkenntnis unserer Sterblichkeit liegt in der Tatsache, dass bereits zwei Drittel von ELP tot sind, wie auch Thomas Huber, einer meiner besten Freunde aus der Jugendzeit.
Durch die Wüste (1980), Rannach (2012) und Kohfidisch Open Air (1977)
In Graz bin ich mit Emerson, Lake & Palmer herangewachsen, die ich 1973 auf meinem allerersten großen Rockkonzert live gesehen hatte. Welcome back my friends, to the show that never ends hat sich in mein Hirn eingebrannt, wie religiösen Menschen die Möglichkeit von unbefleckter Empfängnis. Speziell bei den Zeugen Jehovas, deren Besuche ich damals freudig zuließ, weil ich das nichtsahnende Paar in angeregter Diskussion immer wieder vom „rechten Weg“ abbringen wollte. Das gelang mir zwar nie, war aber eine ausgezeichnete Vorbereitung in Kommunikation und Rhetorik auf das spätere Studium.
Aber zurück zu ELP, dem Anlass zu dieser Betrachtung. Nach dem Konzert haben mir die Ohren vom quadrophonen Klangerlebnis so geglüht, dass ich mir sofort das gleichlautende dreifach-Album gekauft habe und die drei Briten zu meinen Lieblings Progrockern machte. Derart sozialisiert – soweit ich das beeinflussen wollte oder konnte – habe ich auf unzähligen Openairfestivals in den späten 70er und frühen 80er Jahren guten Rock und freie Liebe gesucht und meine gelb-braun-gestreiften Hosen bekamen vor vier Jahrzehnten dementsprechend oft grüne Flecken auf uneinsichtigen Wiesenstücken.
Heuer ging die Show für ELP doch zu Ende. Keith Emerson starb am 11. März 2016 in seinem Haus in Santa Monica, Greg Lake starb am 7. Dezember 2016 an Krebs. Carl Palmer, Jahrgang 1950, geht es gut. Schlagzeuger leben gesünder.
“A bullet had found him
His blood ran as he cried
No money could save him
So he laid down and he died”
Graz liegt nicht mehr auf der Landkarte des Rockzirkus
Die jungen Grazer tun einem leid. Sie müssen sich mit Andreas Gabalier zufrieden geben und aus dem Ausland kriegen sie gerade noch Unstimmig ein allerletztes Mal zu sehen. Auf der Landkarte internationaler Tourneen existiert Graz schon lange nicht mehr. Man muss sich sogar Rammstein im Westaustralischen Perth am Big Day Out anschauen oder zumindest nach Wien oder München fahren. Niemand kommt mehr nach Graz.
Zu meiner Zeit waren sie alle hier, von ELP über Dire Straits bis zu Frank Zappa. Auch der große Leonard Cohen. Aber heute gibt es keinen Vojo Radkovic, der sie für Vojo Concerts verpflichtet hätte. Er könnte sich das exorbitante Risiko heutzutage auch gar nicht mehr leisten. Damals ist die Neue Zeit eingesprungen. 2016 traut sich kein Grazer Veranstalter mehr an Rocklegenden, denn selbst ein ausverkauftes Konzert würde die Kosten nicht decken und die Stadt Graz erachtet Popkultur nicht als förderungswürdig. Ohne private Sponsoren bleibt es halt bei Gabalier. Sorry, Graz.
Vor rund 30 Jahren war Horst Gerhard Haberl dafür verantwortlich, dass ich als sein Student die Prinzipien von Werbung und PR verstand. In seiner Vorlesung an der Uni war mir nie fad, aber was dem Vater von Franz (HUMANIC) nun als Logo für 50 Jahre steirischer herbst eingefallen ist, kann ich nur schwer nachvollziehen. War der Poststempel der letzten Jahre schon fad geworden, sind mir derlei Zahlenraster aus diversen Kalender Apps viel zu geläufig um einzigartig und unverwechselbar zu sein.
Typografisch ist die Helvetica, vom Grafiker Max Miedinger auf der graphique 57 für den Handsatz veröffentlicht, im Jahr 2017, nach 60 Lebensjahren als Hausschrift vieler Firmen allgegenwärtig, ebenso fad geworden. OK, ich gebe zu, dass viele Schriften schneller altern, die American Typewriter aus dem Jahr 1974 zum Beispiel, die ich Anfang der 80er noch im Kalenderteil unserer Jahrbücher einsetzte, ist längst verschwunden. Vielleicht weil sich heute keiner mehr an mechanische Schreibmaschinen erinnert? Nur, wozu lange über ein Logo reden.
Es geht ja schließlich um den Inhalt der Werbebotschaft. Und warum sollte sich ein Avantgarde Festival in seiner visuellen Kommunikation immer wieder neu erfinden müssen? Weil Avantgarde seiner Zeit voraus sein sollte, wäre eine der möglichen Antworten, ist aber nicht die einzige. Genug.
Die Kinder der Toten
Es geht ja auch rückwärts mit viel Freude voraus. Nehmen wir das herbst-Freunden von den Life and Times Episoden gut bekannte Nature Theater of Oklahoma und mixen wir es mit Elfriede Jelineks Roman Die Kinder der Toten, der 1995 bei Rowohlt erschienen ist und 1996 mit dem Bremer Literaturpreis ausgezeichnet wurde, was seinerzeit in Australien völlig an mir vorüber gegangen war.
Kelly Copper & Pavol Liska vom Nature Theater of Oklahoma
Der Roman ist neben dem Internetroman Neid Jelineks umfangreichstes Werk und ist berüchtigt für seine Figurenvielfalt, seine verschlungenen Handlungsstränge und seine ironisch-zeitkritischen Querverweise. Gattungsspezifisch ist er dem postmodernen Roman und der Schauerliteratur zuzurechnen. Jelinek selbst bezeichnet ihn als einen „Gespensterroman in der Tradition der gothic novel“, kann man erfahren.
Untote und der Holocaust formen also die Asche, aus der Avantgarde entstehen soll und für dessen Besetzung 666 lebende Menschen gesucht werden. Im steirischen herbst HQ hat das Casting schon begonnen und auch ich habe mich selbstlos angemeldet, am Film- und Performance-Projekt in Neuberg an der Mürz mit Kelly und Pavol (leider ohne Kristin Worrall) mitzuwirken. Eine kleine Rolle hoffe ich zu bekommen, denn mit meinem Parkinson spiele ich einen Zombie bestimmt sehr überzeugend!
Das Programm des Internationalen Jazz Festival Leibnitz “Jazz & Wein” von 13.-16. Oktober ist einen Besuch mit dem neuen Shuttlebus-Service wert. Nach seiner Auferstehung im Jahr 2013 geht das Jazz Festival Leibnitz heuer auch schon wieder in seine vierte Runde und setzt mit gleich vier Stargästen einen großen Schritt in Richtung internationaler Wahrnehmung. Voriges Jahr gab es leider eine Terminkollision mit unserem Benefizkonzert. Heuer wird aus Leibnitz berichtet.
Isabella Holzmann | Organisation und Kommunikation Internationales Jazzfestival Leibnitz Jazz & Wein Kaspar-Harb-Gasse 4 | A-8430 Leibnitz M +43.664.1586084 | T +43.3452.76506 office@leibnitz-kult.at
Leibnitz gets all that Jazz
Niemand geringerer als US-Altmeister Chico Freeman (Tenorsaxophon) wird das Jazzfestival Leibnitz heuer im Duo mit dem Schweizer Edel-Bassisten Heiri Känzig eröffnen. Die Kultband The Bad Plus, Saxophonistin Tia Fuller mit Trio und Vanessa Rubin aus Cleveland, die schon mit Woody Herman und Herbie Hancock auf Tournee war, beehren das Jazzfestival Leibnitz 2016 mit ihrer Performance. Schauplätze des viertägigen Konzertmarathons sind wieder der riesige Weinkeller auf Schloss Seggau, das Kulturzentrum Leibnitz und die im Vorjahr so erfolgreich erprobte Open Air-Bühne beim Weingartenhotel Harkamp. Und erstmals wird auch ein Jazzbus zwischen Graz und Leibnitz pendeln. – Otmar Klammer, Künstlerischer Leiter
Die Programmvorschau ist auf www.jazzfestivalleibnitz.at bereits online. Wir versprechen, die hervorragenden südsteirischen Weine nur sehr zurückhaltend zu konsumieren, um weitgehend nüchtern zu berichten, Fotos auf Facebook zu posten und hier mit einem Rückblick abzuschließen. See you in Leibnitz.
Stattegg-Ursprung, am 1. August 2016
Leibnitz ist nicht Pori – und das ist gut so
Jazz Musik ist 100 Jahre jung und da darf man einen kleinen historischen Exkurs in die Geschichte machen. Jazz Musik ist international und überall: Wien, Wiesen, Saalfelden (Österreich), Willisau (Schweiz), Viersen (Deutschland), um nur ein paar Orte zu nennen. Pori Jazz ist ein internationales Festival, das 1966 mit 600 Jazzfreunden in der finnischen Kleinstadt begann und nun bereits 162.000 Besucher verzeichnet. Im Sommer 1983 war ich dabei und habe u.a. Bobby McFerrin und Herbie Hancock gesehen. Ich sage das, weil Otmar Klammer im zweiten Anlauf (nach Sigi Feigl in den 90ern) den Ehrgeiz entwickelt hat, weiter zu wachsen. Er sei stolz, im vierten Jahr die “magische Grenze” von 1.000 Besuchern überschritten zu haben.
Ich frage mich, wie weit man überhaupt noch wachsen sollte (bzw. könnte), denn im gegenwärtigen Maßstab passt nämlich alles. Der intime Rahmen im Schloss Seggau oder dem Weingartenhotel Harkamp war bis auf den letzten Platz ausverkauft, das Kulturzentrum Leibnitz beinahe an seiner Kapazitätsgrenze. Wo will man mehr Besucher unterbringen? Einziger Ausweg wäre ein Open Air oder zusätzliche Venues, aber was wäre gewonnen? Klein und fein muss die Devise bleiben, wie z.B. im INNtöne Jazzfestival und ein Lineup in die Steiermark bringen, das Jazzfreunden Qualität und Vielfalt mit dem Ambiente eines Jazzclubs verspricht. Und genau darin liegt Otmar Klammers Stärke, die aus seiner langjährigen Erfahrung mit dem Stockwerk resultiert.
Sieben Tage hat die Woche, und sieben Gigs in vier Tagen waren für mich mehr als genug, um jedes einzelne Set zu genießen und mich danach auch noch an alles zu erinnern. Jazzpublikum ist ein anderes als die Besucher eines Hardrockfestivals am Lake Schwarzl, und dementsprechend war die Stimmung beschwingt und freundlich. Im Kulturzentrum Leibnitz gab es eine Weinverkostung zur Ausstellung von Bildern des Fotografen Pino Ninfa, wo sich so manche alte und neue Weingüter vorstellten und auch MANA Apfelwein debütierte, ein neuer frischer Geschmack zwischen Cider und Prosecco.
1. Tag
Im wunderschönen Weinkeller des Schloss Seggau eröffneten (nach überlangen Ansprachen, Begrüßungen und Danksagungen, die an das Protokoll der Politik erinnerten) das Hadar Noiberg Trio aus Israel mit Querflöten Loops und Obertönen und das Chico Freeman – Heiri Känzig Duo (US/CH).
Auf der Bühne des Hugo Wolf-Saales beeindruckten am Tag 2 FAT (Fabulous Austrian Trio) des in Wien und Los Angeles lebenden Alex Machacek an der Gitarre, so wie die very coolen The Bad Plus aus Minnesota. Am Tag 3 das Sextett Gypsy Fire der deutschen Melanie Bong, die in Graz Jazzgesang studiert hatte und einer Meredith Monk in nichts nach stand. Das letzte Doppelkonzert bestritt das Tia Fuller Trio, selbstbewusste Saxophonistin aus Colorado, eine sehr kleine Frau in High Heels. Sie lud uns als ihre “Angelic Warriors” ein, mit ihr zu singen und es sei dahingestellt, ob sie ihre Kraft aus jener der Engel schöpfte. Ihr “God Bless” konnte man als Amerikanismus entschuldigen. Der stärksten Eindruck in allen vier Outfits hinterließ jedoch die Virtuosität der vier Schlagzeuger. Nicht nur in den Solos bewunderte ich deren hochgradige Musikalität und Technik, und das in einer unvorstellbaren Geschwindigkeit, die den Puls rasen ließ. Derlei hohe Anforderungen gibt es nur in Jazzkompositionen, das Bild vom gemütlichen Dixieland Drummer mit dem Beserl hat sich aufgelöst. Herbert Pirker von FAT sei als international ebenbürtiger Obersteirer extra erwähnt.
Nach einer Odyssee durch die steirische Hügellandschaft (mein Navi hatte das Signal verloren und so musste ich mich bei den Einheimischen durchfragen) erreichte ich am letzten Tag zu Mittag den Venue mit der schönsten Aussicht, das Weingartenhotel Harkamp in Flamberg bei St. Nikolai im Sausal. Dort gab es Brunch – und Vanessa Rubin aus Cleveland erfreute das Publikum zum Nachtisch mit klassischem Jazzgesang. Ein relaxed swingender Ausklang des Jazz Festivals bei anhaltend gutem Wetter. Kudos an Dagmar, Isabella, Otmar und die vielen freiwilligen Helfer, die dieses Festival zu einem Erlebnis machten. Da freut man sich aufs nächste Jahr.
Vom 29. Juli bis 6. August 2016 wird Graz wieder zu einer großen Bühne, auf der voller Lebenslust neue Perspektiven geschaffen werden, verspricht das internationale Festival für Straßenkunst und Figurentheater. Und ich frage Werner Schrempf nach dem Pressegespräch, ob man das großartige Vorjahr übertreffen könne. Müsse man gar nicht, meint der Intendant, solange die Qualität gehalten werde. Und das tut sie, vermute ich. Wir werden berichten.
Opernring 12/I
8010 Graz
T. +43 316 69 55 80
La Strada ist eine Arbeitsgemeinschaft des Vereines zur Förderung von Straßenkunst und Figurentheater in Österreich und der Firma die ORGANISATION, Büro für Gestaltung und Veranstaltungsorganisation GmbH. Wer laufend am Laufenden sein möchte, dem steht die La Strada-App als gratis Download zur Verfügung.
Mit der La Strada-App findest du alle Gruppen und Aufführungen, Spielorte und Preise sowie einen Kalender, der auf einen Blick zeigt, was gerade wo stattfindet; Tickets bestellen ist genauso möglich wie Fotos und Videos der einzelnen Gruppen anzusehen. Und last but not least sind hier natürlich alle Social Media-Auftritte der Künstler verlinkt.
Die App ist kostenlos im App Store und im Google Play Store downloadbar. Das gesamte Programm gibt es auf lastrada.at zu sehen. Wir werden von der Eröffnung berichten und hier mit einem Rückblick abschließen.
Tilde Björfors, die Gründerin des schwedischen Cirkus Cirkör, ist eine kluge Frau. Sie dachte schon als Kind, dass die Bewegung der Menschen über die Weltkugel diese in Balance hält. Auch ein Akrobat muss sich bewegen, sonst kippt, was auch immer er jongliert. Diese Analogie definiert gewissermaßen das Programm der Gruppe, die Grenzen nicht setzt, sondern sie ständig überschreitet, mit dem Reisepass so wie mit hoher akrobatischer Kunst. Parallel dazu zieht sich als narrativer Faden die Flüchtlingswelle, mit aktuellen Zahlen und Fakten visuell belegt, wie auch im Bühnenbild akribisch umgesetzt.
Migration sei zu befürworten, und wenn sich alle Beteiligten ein wenig entgegen kämen, könnten sich aus den Risiken neue Möglichkeiten eröffnen. Im Rückblick auf die Geschichte entstand Gutes meist aus Veränderung, meint die Schwedin. Ihr Land ist mit den Flüchtlingen so bunt wie die Welt. Und mir scheint die Farben werden satter, je höher man in den Norden blickt.
Die sechs Akrobaten und One-Woman-Band erhielten stürmischen Applaus, den sie sich mit den grandiosen Leistungen in Limits auch verdient hatten. Bis 5.8. noch fünfmal mit eigenen Augen zu sehen.
Stattegg-Ursprung, am 30. Juli 2016
Finale
Transe Express – Mù, cinématique des fluides
Mit einem großen & großartigen Finale endet auch die 19. Reinkarnation von Werner Schrempfs Straßenfestival. Das ist zumeist auch alles, was die Menschen in Erinnerung behalten, die ein solches Festival irgendwo auf der Welt gesehen haben. Spektakel dieser Größenordnung kommen oft so wie Transe Express aus Frankreich und ziehen kreuz und quer durch die Lande. Ich habe derartiges im Sydney Festival gesehen und es freut mich natürlich, dass dieser „neue Zirkus“ auch in unserem Großstädtchen Station macht.
Neben den Extremen, Superlativen, sind es aber auch die leisen Töne, die La Strada ausmachen, allen voran Kudos für das aXe:körpertheater:graz – ich:sucht:leben (community art) im Grazer Stadtparkpavillon. Es war eine Freude zu erleben, wie gerührt die Darsteller den Applaus über sich ergehen ließen, wo doch viele von ihnen nur Obdachlosigkeit und unfreundliche Worte kannten. Sozialarbeit vom Feinsten und eine sympathische weil menschliche Komponente unserer Kultur. Ob es dem einen oder anderen hilft, aus dem Spinnennetz der Drogensucht (Bühnenbild) zu entfliehen, bleibt abzuwarten.
Das Figurentheater trat mit zwei Produktionen hervor: Handmaids Berlin mit Salome, die das klassische Thema spannend und aktuell aufarbeiteten, indem sie meterweise Papier aufrollten, ihre „Puppen“ daraus formten und immer wieder zerknüllten, bis sie, in blutrotes Licht eingefärbt, Salomes Tod visualisierten, und, ebenso aus Deutschland, United Puppets mit A No Man Show (An Evening With Andy Warhol), das die Kultfigur der 60er Jahre in Erinnerung rief. Zwar hat Figurentheater eine loyale Fanbase im Grazer Publikum, die Plätze im Next Liberty blieben teilweise jedoch leer.
Ich vermute, dass La Strada in der Bevölkerung zumeist im Kontext mit Straßenkünstlern verstanden wird, wo man im Sommer mit zufälligen Begegnungen rechnet, sofern man in der Innenstadt ist, sich jedoch nicht zu einer bestimmten Zeit irgendwo dafür einfindet und auch noch Karten kauft. Das höre ich jedenfalls gelegentlich, wenn ich das Gespräch auf La Strada lenke. Dass La Strada inzwischen auch die Randzonen der Stadt erfasst hat, muss sich erst noch herumsprechen. Noch eine Erschwernis: auf der Straße ist man dem Wettergott ausgeliefert, der es dieses Jahr gar nicht gut mit uns meinte.
Vom Wetter nicht betroffen, da unter einem Zirkuszelt, das äußerst unterhaltsame Programm von Cheptel Aleïkoum – Maintenant ou Jamais, in dem eine elfköpfige Circus Brass Band auf Fahrrädern das Publikum nicht nur unterhält, sondern auch einbindet. Auch ich wurde in die Zeltmitte eingeladen und durfte die Trommel schlagen, während sich die Band auf zwei Fahrrädern im Kreis neu konfigurierte. Unvorstellbar, wie viele Menschen auf ein Radl passen, ohne umzufallen. Man sah den Franzosen an, dass sie Spaß daran hatten und uns, ihr Publikum, gerne daran teilhaben ließen. Die charmante Akrobatin, die mich ins Zirkusrund entführte, bedankte sich danach bei mir mit einem Kuss und flüsterte mir in inniger Umarmung zu: „I’ve made the right choice with you, merci!“, worauf ich mich sofort unsterblich in sie (in den Zirkus) verliebte.
Irgendwie schade, dass ich vom eigentlichen Herzstück von La Strada heuer gar nichts mitbekommen habe. Für Straßentheater blieb mir kaum Zeit und war auch selten einladendes Wetter. Publikum zu sein, kann auch ganz schön anstrengen. Ich hoffe, nächstes Jahr noch so fit zu sein, um mich auf das 20. La Strada einzulassen.
Vom 23. September bis 16. Oktober 2016 krempelt sich der steirische herbst die Ärmel hoch:“ Wir schaffen das.” Die diesjährige Eröffnungsproduktion entführt in die Traumwelten des französischen Theaterzauberers Philippe Quesne. Für den steirischen herbst gräbt er sich unter die Erdoberfläche und stößt dort auf eine skurrile Gesellschaft.
steirischer herbst festival gmbh
Sackstraße 17
8010 Graz Austria
t +43 316 823 007
f +43 316 823 007 77 info@steirischerherbst.at
Wir schaffen das.
Über die Verschiebung kultureller Kartografien.
Das diesjährige Motto könnte sich sogar auf mein neues Buch beziehen, habe ich doch mit meiner Geografie der Liebe immer schon kulturelle Grenzen verschoben. Wen das plakative “Wir schaffen das” hierzulande wozu motivieren soll, werden wir am 23. September auch nicht herausfinden. Behauptet hat es Angela Merkel, wobei Ähnlichkeiten mit Slogans von Bob the Builder und Barack Obama rein zufällig sind, wie ich annehme.
Heuer wird das Kulturangebot des steirischen herbst für jedermann erschwinglich mit den neuen herbst-Blocks: bis zu 56% des Ticketpreises sparen, herbst-Blocks (ab € 70 für den ermäßigten 6er) ab sofort online kaufen und einlösen. Das gesamte Programm gibt es auf www.steirischerherbst.at zu sehen. Wir werden von der Eröffnung berichten, Fotos vom musikprotokoll posten und hier mit einem Rückblick abschließen.
Buchungshotline +43 (0)1 96 0 96 (zum Ortstarif)
Öffnungszeiten: Mo – So: 09:00 – 21:00 Uhr
Sommeröffnungszeiten Juli & August: Mo – So: 09:00 – 20:00 Uhr
Stattegg-Ursprung, am 30. Juli 2016
Eröffnung
Über die herbst-Eröffnung kann ich nichts berichten, da ich zu dem Zeitpunkt in Portland, Oregon (USA) eine Präsentation meines virtuellen Selbsthilfe-Modells am 4th World Parkinson Congress machte und erst am 26.9. wieder in Graz landete. Es sei gut gelaufen, höre ich, beim Fest in der Helmut List Halle tummelten sich wie immer viele Leute. Das herbstliche Gesichtsbad ist für heimische Kulturschaffende schließlich ein Pflichttermin.
Apichatpong Weerasethakul (TH)
Cemetery of Splendour / Fever Room
Mittwoch tauche ich ein: Der steirische herbst zeigt den neuen Film des thailändischen Regisseurs Apichatpong “Joe” Weerasethakul, ein sanftes Meisterwerk von traumwandlerischer Magie, das ganz hervorragend zu meinem Jetlag passt. Ich frage mich nur, welche Absicht dahinter stand, nach der Filmvorführung zwei selbstgefällige (weil eine Beteiligung aus dem Publikum ignorierende) vormalige Standard-Köpfe, nämlich Alexander Horwath (Österreichisches Filmmuseum) und Claus Philipp (Wiener Stadtkino) auf die Bühne zu setzen, und als Experten die “aus dem Kino kommen”, über einen Regisseur zu reden, der weit genug weg ist, um sich der Peinlichkeit nicht auszusetzen, wie marktschreierisch die beiden ihr 2009 erschienenes mittlerweile vergriffenes Buch über “Joe” oder gar “Joey” nun als PDF (!) auf einer DVD (!) bewerben. Und um den TALK nicht gänzlich zum Marketing-Spin absinken zu lassen, projiziert man den Film in sehr kleinem Rahmen (Orpheum Extra), so dass die Karten innerhalb der herbst-Fangemeinde schon ausverkauft waren, lange bevor die Show über die Bühne ging und das gemeine Volk überhaupt eine Chance hatte, sich etwas anzuschauen. Man fragt sich, ob der steirische herbst nun ein elitäres Programmkino geworden sei. Doch dafür war der Raum zu kalt und das Sitzen zu unbequem, auch wenn die Intendantin in der Pause auf lauwarme Drinks einlud.
Zwei Tage später, Freitag: Fever Room. Vor dem Orpheum sind kaum Leute, ich sehe Gerhard Melzer und wir wundern uns über die wenigen Besucher des “ausverkauften” Zwillingswerkes von Apichatpong Weerasethakul. Drinnen sind wir gezwungen, am nackten Boden zu sitzen. In Südost-Asien ist das wohl so üblich, hier bezweckte die Unbequemlichkeit vermutlich, nicht aus Langeweile einzuschlafen. Einmal, und noch einmal werden uns Orte und Gegenstände aufgezählt, bezeichnet, aus der Erinnerung an Träume. Jen und Itt, die schlafenden “Hauptdarsteller” in beiden Filmen teilen sich ihre Träume. Der Mekong Fluss, eine Höhle, und – als Sohn zweier Ärzte – immer wieder Szenen aus dem Krankenhaus. Nun statt auf einem auf vier Screens, fast bis zum Stillstand verlangsamt. Auch hier Schlafattacken. Der thailändische Heimatfilm ohne Handlung ist durch die Vervielfachung nicht weniger langatmig, trotz teils schöner visueller Eindrücke, die sowohl den politischen Aspekt in einem unter der Militärdiktatur zerfallenden Land einbeziehen, als auch die Umweltverschmutzung. Aber im Westen sitzt man auf Stühlen und glaubt nicht an Geister, auch wenn sie sich im zweiten Teil der “Installation” mit Laserlicht und Weihrauch dem Publikum präsentierten. Keine Warnung, dass man mit ungeschützten Augen nicht in den Laser schauen dürfe, und so erwachte ich heute mit brennenden Augen, weil das weiße Licht uns immer und immer wieder viel zu lange direkt in die Pupillen strahlte.
Der 46-jährige Apichatpong Weerasethakul aus Bangkok, der 2010 als erster thailändischer Filmemacher die Goldene Palme der Internationalen Filmfestspiele von Cannes erhielt, sagt in einem französischen Interview, dass er es mag, wenn das Publikum “im Dunkeln sitzt wie Zombies”. Er will, dass wir uns unterordnen. Ich vermute, dass Europäer diese filmische Auseinandersetzung mit Thailands Geistern bestenfalls als “interessant” bezeichnen, obwohl Matthias Dell im SPIEGEL ONLINE begeistert scheint. Aber wenn es uns hier interessiert, wäre es in einem Südost-Asien Schwerpunkt im KIZ Programmkino besser aufgehoben, ohne dass sich das Publikum als “Oberfläche, auf die ein Licht projiziert wird” unterordnen muss.
Wenn auch schon etwas gerundet (wie viele in unserem Alter) so ist Blixa Bargeld auch im schwarzen Anzug immer noch ein bunter Vogel. Er kann sogar kreischen wie ein Sulphur-crested cockatoo. Das muss er mit Nick Cave im australischen Outback gelernt haben. Wie auch immer, der Mann, der die Einstürzenden Neubauten oder Nick Cave and The Bad Seeds in seiner Biografie hat, ist auch (fast) solo eine imposante Erscheinung. Ich habe zwar ein oder zwei Alben der Neubauten am Mobiltelefon und höre ab und zu auf YouTube auch neuere Sachen, hatte das Material dieser One-Man-Show aber nicht gekannt. Daher war ich umso mehr beeindruckt, was man mit einer Stimme, zwei Loop-Recordern und einem guten Tontechniker an schrägen Klängen und mitreissenden Rhythmen live auf der Bühne zusammenbasteln kann. Kreative Ideen vorausgesetzt, wie z.B. das Sonnensystem akustisch nachzubauen, dabei das Publikum in eine unendliche Tonschleife einzubauen (und über Unendlichkeit zu philosophieren) oder spontan aus dem Publikum zugeworfene Worte – wir einigten uns nach einiger Diskussion auf Kommod und Schiach – in einem Duell zu verarbeiten. Das waren knappe eineinhalb Stunden bester Unterhaltungsqualität, die es wert waren darauf zu warten. Die beiden vorangegangenen Klangkünstler habe ich größtenteils mit einer jungen Dame in einem Seitenstollen des Schlossbergs vertratscht. Und ich erreichte laufend (und keuchend) auch gerade noch die vorletzte Straßenbahn nach Andritz.
ORF Radio-Symphonieorchester Wien & Klangforum Wien
Größe macht doch was aus
Unter der Leitung von Johannes Kalitzke war eine Urauffführung der besonderen Art in Graz zu erleben. Das ORF Radio-Symphonieorchester Wien vereinte sich mit dem Klangforum Wien zu einem fast 100-köpfig anmutenden Klangkörper für die Werke der türkischen Komponistin Zeynep Gedizlioglu (im Bild rechts unten) und des Slowenen Vito Zuraj. Zeitgenössische/neue Musik gehört nicht zu meiner täglichen Beschallung, aber hin und wieder kann sie auch mich durchaus entzücken. Ungewöhnliche Besetzungen wie in einer Komposition für drei Mundstücke (links oben) bis zum unisonen Klang aller nur denkbaren Instrumente in oft nicht vorgesehenem Einsatz ebendieser gehört zu den seltenen “ganzkörperlichen” Hörerlebnissen, die einen von FM4 zu Ö1 wechseln lassen. Noch besser war es allerdings, dieses “Concerto Grosso” live zu erfahren.
Der dritte Tag musikprotokoll fiel für mich verständlicherweise aus, da ich an jenem Abend eine eigene Lesung/Buchpräsentation/Talk aus meinem neuen Buch Geografie der Liebe im passenden Ambiente des KunstGartens hatte. Volles Haus, gute Stimmung, aber die Journalisten waren wohl alle beim steirischen herbst.
Der steirische herbst 2016, der dem Leitmotiv “Wir schaffen das. Über die Verschiebung kultureller Kartografien” folgte, ist zu Ende. Die Intendantin zog wiederum Bilanz, aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass der Dampf raus war. Kann man sich wirklich 50 Jahre lang der Avantgarde widmen und sich immer wieder neu erfinden? OK, ich habe heuer den Anfang wegen einer Terminkollision mit einem Kongress in Portland und das Ende wegen eines Festivals in Leibnitz nicht gesehen, aber dazwischen war nicht wirklich viel, wie mir schien, und nichts das mich vom Stockerl gehaut hätte wie so manches in den Jahren zuvor. Ja haben siees denn geschafft? Was wollten sie überhaupt schaffen? Wer wollte es schaffen? Wir als Menschheit, Europäer, Österreicher, Kulturschaffende, Künstler, oder nur als Publikum?
Daraufhin habe ich mich auf der Straße umgehört und das Ergebnis meiner improvisierten Umfrage hat selbst mich überrascht. Obwohl der steirische herbst bald 50 wird gibt es Grazer, die noch nie vom steirischen herbst gehört hatten, bzw. dachten, dass es sich dabei um die Jahreszeit Herbst in der Steiermark handle. Dann gab es jene, die zwar davon gehört hatten aber nicht wussten, dass er gerade über die Bühne ging, geschweige denn, was das heurige Leitmotiv meinte. Den Poststempel habe man zwar auf Bussen und in Schaufenstern gesehen, aber da er seit Jahren gleich aussieht, nicht beachtet. In der Firma steirischer herbst festival gmbh sollten schon die Warnlampen aufleuchten.
Die vorläufige Bilanz: An 24 Festivaltagen gab es 130 Projekte und 465 Einzelveranstaltungen. Mehr als 50.000 Besucherinnen und Besucher (diese Zahl stagniert seit Jahren) zählte das Festival, nicht zugerechnet seien dabei die Projekte, die im öffentlichen und medialen Raum stattgefunden haben. Man freute sich zwar auch über die Auslastung von über 90% bei den szenischen Produktionen und Konzerten, aber im Vorjahr waren es noch 95%. Etwa 900 Beteiligte aus insgesamt 56 Nationen waren involviert.