Klagenfurt und die Literatur

Das Format der „Tage der deutschsprachigen Literatur“ mag sich im Lauf der 46 Jahre vielleicht verändert haben – diesmal lasen die Autorinnen und Autoren im Freien vor dem Funkhaus, während die Jury (sieben Jurorinnen und Juroren) im Studio saß – geändert hat sich im Grunde aber nichts. Junge Gladiatoren werden mit dem Versprechen von Ruhm und Geld vor die Kameras gelockt, um sich von selbstgefälligen Germanisten schlachten zu lassen. Morituri te salutant.
Ich schaute mir das Spektakel nach einigen Jahren Abwesenheit wieder einmal live an. Moderator Christian Ankowitsch (auch ein Grazer, mit dem mich eine alte Freundschaft verbindet) bemühte sich, dass nicht allzuviel Blut vergossen wurde. Immerhin ging es um insgesamt 62.000 Euro, vom 7.000 Euro Publikumspreis bis hin zum 25.000 Euro Haupttreffer, da greifen auch friedliche Menschen zu den Waffen.
Die frühere Preisträgerin Anna Bahr gibt in ihrer „Klagenfurter Rede zur Literatur 2022“ folgenden Rat: Spielen Sie nicht in Socken! Es ist ein Elefant in dieser Lesemanege. Den sollten Sie unerschrocken bei den Stoßzähnen packen. Und denken Sie daran: Viele der Allergrößten hätten Bewerbe wie diesen nie im Leben gewonnen, wahrscheinlich nicht einmal die Bachmann.




Und sie bemühten sich zu gefallen, ob mit aufgeklebtem Schnurrbart, am fliegenden Teppich, oder locker vom Hocker, sie gaben ihr Bestes und wurden dafür mit Worten wie „Performence“ oder „Kitsch“ bestraft. Nicht von Leserinnen und Lesern, sondern von jenen selbstgefälligen Menschen, die gelernt haben, mit schönen Worten in langen Sätzen nichts auszusagen, das aber sehr gescheit klingen lassen. Dabei geht es nicht ums Loben oder Zerbröseln eines Textes, bis sich seine Kritiker untereinander zu streiten beginnen, sondern schlichtweg darum, ob ein Text bzw. sein Thema im Leser widerhallt, oder nicht. Und da Leser eben gewöhnliche Menschen und keine gelernten Sprachwissenschaftler sind, gehen mir Meinungen von „Experten“ auch nicht unter die Haut. Ich gebe aber zu, dass sie auf dem Buchmarkt einen enormen Einfluss haben.
Die Glücklichen
Der erste Preis, der vergeben wird, ist der 3sat-Preis, er geht an Leon Engler (D/A) für seinen Text „Liste der Dinge, die nicht so sind, wie sie sein sollten.“ Der Preis ist mit 7.500 Euro dotiert.
Der mit 10.000 Euro dotierte Preis geht an den deutschen Autor Juan S. Guse, eingeladen von Mara Delius. In der Erzählung „Druckabfall“ erzählt er von einer illusionären Welt, die zur realen Welt zurückführt.
Der mit 12.500 Euro dotierte Deutschlandfunkpreis geht an Alexandru Bulucz (D/ROM) für den Text „Einige Landesgrenzen weiter südlich als hier“.
Der Publikumspreis ging an den Wiener Autor Elias Hirschl, der heuer mit 28 Jahren der jüngste Teilnehmer am Bewerb. Er wurde von Klaus Kastberger eingeladen, und las den Text „Staublunge“. Der Preis ist dotiert mit 7.000 Euro, dazu kommt das Stadtschreiberstipendium der Stadt Klagenfurt im Wert von 6.000 Euro.
Die Siegerin
Die in Niederösterreich lebende Slowenin Ana Marwan ist die mit 25.000 Euro dotierte Bachmannpreisträgerin 2022. Sie las den Text „Die Wechselkröte“. Klaus Kastberger hielt die Laudatio. Klagenfurts Bürgermeister gratuliert.
Nachlese
Texte und Jurydiskussion sind jedoch nicht nur für Germanistikstudenten interessant. Wenn man sich Professoren wie Klaus Kastberger anhört, wird einem klar, wie sie ticken. Der ORF Kärnten hat alles akribisch aufgezeichnet und stellt es dankenswerterweise in einem Videoarchiv „on demand“ zur Verfügung. https://bachmannpreis.orf.at/stories/ondemand/