2016

“Heite grob ma Tote aus”

Voodoo Jürgens, 2016

Jahresrückblick mit ELP auf dem Plattenteller

Dieses Jahr wurde es mir bewusst. Unsere Generation ist vom Aussterben bedroht, denn mehr und mehr Babyboomer lösen die Verbindung zum Mutterschiff Erde. Der biologische Zerfall ist angelaufen, unsere Wurzeln finden keinen nahrhaften Halt mehr im Boden. Meine Zeitgenossen wandern einer nach dem anderen ab ins Nirwana, oder wohin auch immer, wobei Himmel, Fegefeuer und Hölle schon grundsätzlich ausgeschlossen sind.

Im Jahr 2016 verstarben musikalische Legenden wie David Bowie, Leonard Cohen, Prince oder George Michael. Mit den Songs der ersteren konnte ich mich identifizieren, letztere waren gar nicht mein Geschmack. Aber die wahre Erkenntnis unserer Sterblichkeit liegt in der Tatsache, dass bereits zwei Drittel von ELP tot sind, wie auch Thomas Huber, einer meiner besten Freunde aus der Jugendzeit.

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Durch die Wüste (1980), Rannach (2012) und Kohfidisch Open Air (1977)

In Graz bin ich mit Emerson, Lake & Palmer herangewachsen, die ich 1973 auf meinem allerersten großen Rockkonzert live gesehen hatte. Welcome back my friends, to the show that never ends hat sich in mein Hirn eingebrannt, wie religiösen Menschen die Möglichkeit von unbefleckter Empfängnis. Speziell bei den Zeugen Jehovas, deren Besuche ich damals freudig zuließ, weil ich das nichtsahnende Paar in angeregter Diskussion immer wieder vom „rechten Weg“ abbringen wollte. Das gelang mir zwar nie, war aber eine ausgezeichnete Vorbereitung in Kommunikation und Rhetorik auf das spätere Studium.

Aber zurück zu ELP, dem Anlass zu dieser Betrachtung. Nach dem Konzert haben mir die Ohren vom quadrophonen Klangerlebnis so geglüht, dass ich mir sofort das gleichlautende dreifach-Album gekauft habe und die drei Briten zu meinen Lieblings Progrockern machte. Derart sozialisiert – soweit ich das beeinflussen wollte oder konnte –  habe ich auf unzähligen Openairfestivals in den späten 70er und frühen 80er Jahren guten Rock und freie Liebe gesucht und meine gelb-braun-gestreiften Hosen bekamen vor vier Jahrzehnten dementsprechend oft grüne Flecken auf uneinsichtigen Wiesenstücken.

Heuer ging die Show für ELP doch zu Ende. Keith Emerson starb am 11. März 2016 in seinem Haus in Santa Monica, Greg Lake starb am 7. Dezember 2016 an Krebs. Carl Palmer, Jahrgang 1950, geht es gut. Schlagzeuger leben gesünder.

“A bullet had found him
His blood ran as he cried
No money could save him
So he laid down and he died”

Aus: Lucky Man (Greg Lake)

Ausgegrenzt

Airbourne am Big Day Out in Perth | Foto © 2011 Gerald Ganglbauer

Graz liegt nicht mehr auf der Landkarte des Rockzirkus

Die jungen Grazer tun einem leid. Sie müssen sich mit Andreas Gabalier zufrieden geben und aus dem Ausland kriegen sie gerade noch Unstimmig ein allerletztes Mal zu sehen. Auf der Landkarte internationaler Tourneen existiert Graz schon lange nicht mehr. Man muss sich sogar Rammstein im Westaustralischen Perth am Big Day Out anschauen oder zumindest nach Wien oder München fahren. Niemand kommt mehr nach Graz.

Zu meiner Zeit waren sie alle hier, von ELP über Dire Straits bis zu Frank Zappa. Auch der große Leonard Cohen. Aber heute gibt es keinen Vojo Radkovic, der sie für Vojo Concerts verpflichtet hätte. Er könnte sich das exorbitante Risiko heutzutage auch gar nicht mehr leisten. Damals ist die Neue Zeit eingesprungen. 2016 traut sich kein Grazer Veranstalter mehr an Rocklegenden, denn selbst ein ausverkauftes Konzert würde die Kosten nicht decken und die Stadt Graz erachtet Popkultur nicht als förderungswürdig. Ohne private Sponsoren bleibt es halt bei Gabalier. Sorry, Graz.

ECM wird 40 mit Jan Garbarek

Jazz auf Schallplatten von ECM hat mich begleitet, seit ich die Grazer Keplerspatzen nach dem Stimmbruch verlassen musste. Der Knabenchor hat meine Liebe zur Musik entfacht und sehr neugierig auf andere musikalische Richtungen gemacht. Damals traten in der “Jazzhauptstadt” auch alle auf, die Rang und Namen hatten, Eberhard Weber, Don Cherry, oder Jan Garbarek. Meine Freunde sammelten Aufnahmen dieser Künstler auf schwarzem Vinyl und ich durfte sie mir mit meinem Ferguson Tonbandgerät auf 18 cm Spulen aufnehmen. Jetzt wird ECM 40 und Jan Garbarek gastiert im wunderschön restaurierten Gleisdorfer forumKLOSTER.

Ort: forumKLOSTER
Rathausplatz 5
8200 Gleisdorf
Datum: 20. November 2012
Beginn: 20:00 Uhr

Hörgenuss in ansprechendem Rahmen

Jan Garbarek im forumKLOSTER in Gleisdorf, 20 Nov. 2012 © Gerald Ganglbauer

Ich werde hier über das Konzert der Jan Garbarek Group – das ist Jan Garbarek (Saxophon), Rainer Brüninghaus (Piano), Yuri Daniel (Bass) und Trilok Gurtu (Percussion) – nur berichten, werde es aber so halten wie der Meister himself, nämlich nichts zu seiner Musik sagen. Er erschien wortlos mit seinen begnadeten Kollegen, die allesamt in großartigen Soli ihr Können bewiesen, auf der schlicht dekorierten, jedoch stimmungsvoll beleuchteten Bühne des Gleisdorfers forumKLOSTER und spielte…

Die vier gut aufeinander eingespielten Musiker kommunizierten ihre unterschiedlichen Klanggewebe ausdrucksstark, verzauberten das Publikum mit sinnlichen Kompositionen und erotischen Schwingungen. Jeder, der diese Musik kennt, weiß um den unverwechselbaren Garbarek-Sound. Daher nur ein paar Bildern ohne Worte.

Jan Garbarek Group Fotos © 2012 Gerald Ganglbauer

Nähere Infos gibt es bei der Stadt Gleisdorf und bei ECM records.